1971-77 | Studium an der Akademie der bildenden Künste in Wien |
1986 | Oskar Kokoschka Preis |
1990 | Preis der Stadt Wien für Malerei |
1997 | Professur für Malerei an der Kunstakademie in Düsseldorf |
2004 | Großer Österreichischer Staatspreis für Bildende Kunst |
2006 | Landeskulturpreis für bildende Kunst, Oberösterreich |
"Gewöhnlich arbeite ich hauptsächlich nachts. Nachts fällt das Licht nur auf die Leinwand. Alle anderen Objekte liegen im
Schatten, und so kann ich nicht leicht abgelenkt werden. Außerdem fühle ich mich manchmal nachts wirklich wie ein Künstler,
es ist ruhig, ich höre nur den Pinsel. Manchmal bekomme ich nachts das Gefühl, ein wirklich großer Maler zu sein, während
im grellen Tageslicht alles sehr viel normaler ist. Nachts wachsen Phantasie und Gefühl enorm an, tags sind sie konzentrierter,
nüchterner; der Tag ist realistischer. Mein Rezept für ein gutes Bild ist nachts anfangen und bei Tag es zu
vollenden." 1
Die Werke des Malers Siegfried Anzinger sind von der Schnelligkeit der Ausführung, von Spontaneität und spielerischer Leichtigkeit
bestimmt. In besonderem Maße ist für Anzinger das „non-finito“ wichtig. Durch mehrfache Übermalungen entstehen bis zu zwanzig
Farbschichten. Während Anzingers Malweise anfangs stark gestisch und expressiv war, nimmt er sich in jüngeren Arbeiten eher
zurück. Er arbeitet bewusst in Serien und malt parallel an drei bis vier Bildern.
Das abstrakte Ölgemälde „Die rote Säule“ (1988) ist repräsentativ für die Phase der Neuen Wilden Malerei aus den 80er Jahren.
Die Säule teilt als durchlaufendes Band die farbigen Felder in zwei Hälften. Blaue Töne, rot, weiss und grau sind hier harmonisch
zueinander abgestimmt. Im Bild „ML-Löwen (sumpfgrün)“ aus dem Jahr 1996 leuchten vor grünem Grund, ineinander verwebt, die
Farben weiß, grasgrün, schwarz, ocker und umbra auf. Der Künstler will hier „die Figur der Figuration entreißen und gleichzeitig
das malerische Diagramm aus der Selbstverliebtheit der Abstraktion befreien.“2
Seit vielen Jahren malt Anzinger hauptsächlich mit Leimfarbe. Eine dünne, transparente Farbe, die allerdings nicht korrigierbar
ist, die Komposition muss in einem Vorgang gelingen. Wenn Anzinger nicht zufrieden ist, wird die Leimfarbe wieder ganz abgenommen
und neu begonnen. Dies führt zu Bildern von großer Leichtigkeit und kompositorischer Sicherheit.
Seit etwa 2000 beschäftigt sich Anzinger mit vier Bildthemen: Tieren, Madonnen, Schöpfungsgeschichten und erotischen Darstellungen.
In jüngster Zeit sind es oft Linienreste oder Farbreize, aus denen der Künstler Formen entstehen lässt oder sich neue Figurationen
ergeben.
Seine Motive haben oft parodistische Züge. Im mit Leimfarbe auf Leinwand gemalten Bild „Erschaffung einer Ente“ (2001) hat Anzinger Gott als alten, kahlen und nackten Mann dargestellt, der in einer Badewanne liegt. Die Wanne ist leer, das Wasser befindet sich außerhalb. Darin schwimmt die Ente, die Gott soeben geschaffen hat. Der ausgestreckte Finger verweist auf den Schöpfungsmythos und nimmt Anleihe an Michelangelos „Erschaffung Adams“ in der Sixtina. Das Motiv der Badewanne ist für Anzinger von besonderer Bedeutung. Wenn ihm ein Bild missfällt, spült er die Leimfarbe in der Badewanne wieder ab. Der Ritus der Reinigung führt zur Erschaffung eines neuen Bildes.
In seinem Werk „Madonna, blau, rot, blond“ (2002) gibt er die Madonna in blauem Kleid, rotem Mantel und mit blonder Kurzhaarfrisur
wieder. In klassischer Dreieckskomposition angelegt und mit den Farben des Irdischen und Himmlischen versehen, gewinnt das
Bild durch eine lange Schräge an Dynamik. Auf der abstrakt gemalten Fläche rechts wiederholt sich die Farbe des Inkarnats
der Figuren. Für Anzinger ist die malerische Umsetzung wichtiger, als das Motiv selbst. Hier wird die Figuration in extremer
Weise reduziert und als reine Malerei vorgeführt.
Elisabeth Pokorny-Waitzer
1) Siegfried Anzinger, in: Siegfried Anzinger. Malerei und Terrakotten, AK Galerie Welz, Salzburg 2007, o. S. (S. 5).
2) Wilfried Dickhoff wird zitiert, in: Siegfried Anzinger, AK Museum Moderner Kunst, Wien 1998, S. 72.