Günter Brus

1938 geboren in Ardning, Steiermark
Lebt und arbeitet in Graz und auf La Gomera

Günter Brus

1938 geboren in Ardning, Steiermark
Lebt und arbeitet in Graz und auf La Gomera

Persönliche Daten

1953-57 Kunstgewerbeschule Graz
1957 Akademie für angewandte Kunst Wien
1960 vorzeitiger Austritt aus der Akademie
1964 begründet mit Otto Mühl, Hermann Nitsch und Rudolf Schwarzkogler den „Wiener Aktionismus“
1966 Teilnahme am „Destruktion in Art Symposion“, London
1968 Aktion „Kunst + Revolution“, Universität Wien
zwei Monate in Untersuchungshaft, wird von einem Geschworenengericht zu sechs Monaten Arrest verurteilt
1970 Letzte Aktion „Zerreißprobe“, München
1972/77 documenta 5 und documenta 6 , Kassel
1982 documenta 7, Kassel
1984 Der Roman „Geheimnisträger“ erscheint
1997 Großer österreichischer Staatspreis
1998 Aufführung der ersten Licht-Bild-Dichtung „Der Glühapfel“ in Weiz
2005 Kolumnist und Zeichner für das Österreichische Monatsmagazin „Datum“
2011 Eröffnung des BRUSEUM im Joanneumsviertel, Graz

Zum Werk

„Mein Körper ist die Absicht, mein Körper ist das Ereignis, mein Körper ist das Ergebnis.“1

Günter Brus ist einer der zentralen Künstler des Wiener Aktionismus. In seiner informellen Frühphase ende der 1950er Jahre malt er mit Kunstharzfarben in rein gestischer Weise. Seine ausladenden Bewegungen führen allzu oft in den Raum, der Bildträger scheint immer zu klein für den intensiven Körperleinsatz beim Malen. Bevorzugte Farbe ist Schwarz, das hie und da durch Braun oder Weiß ergänzt wird. Diese Farbbeschränkung charakterisiert auch die frühen Selbstbemalungen.

Im Juli 1965 unternimmt er den „Wiener Spaziergang“, eine Aktion in der der einzige Darsteller der Künstler selbst ist. Bekleidet und von Kopf bis Fuß weiß bemalt, mit einem schwarzen Strich, der seinen Körper in zwei Hälften teilt, spaziert Brus über den Heldenplatz und wird schon nach kurzer Zeit von einem Polizeiorgan gestoppt. Auf die Aktionen „Selbstbemalung I + II“ folgen im Jahr 1965 die radikaleren „Selbstverstümmelungen“, wo ein experimenteller Umgang mit dem eigenen Körper demonstriert wird. Insgesamt führt Brus bis 1970 genau 43 Aktionen durch, zahlreiche Fotodokumentationen davon sind in der Sammlung Essl vertreten. Der Künstler zeigt mit dieser radikalen, existenziellen Körperkunst seine verzweifelte und ohnmächtige Haltung gegenüber einem starren, von konservativen Normen geprägten, gesellschaftlichen System.

Im Juni 1968 hatte der Sozialistische Österreichische Studentenverband unter dem Titel „Kunst und Revolution“ zu einer Diskussion in die Wiener Universität eingeladen. Die Veranstaltung entwickelte sich zusammen mit den anderen Teilnehmern Otto Mühl, Peter Weibel und Oswald Wiener zu einer Aktion, wobei sich Günter Brus provozierend in Brust und Oberschenkel schneidet, sich mit seinem Kot beschmiert und onanierend die Bundeshymne singt. Die Boulevardpresse fordert die sofortige Verhaftung der „Uniferkel“. Brus entzieht sich der Haftstrafe und geht mit seiner Familie nach Berlin. Erst 1980 kehrt er wieder nach Wien zurück.

1970 führt Brus in München „Die Zerreißprobe“, durch, dabei geht er extrem hart an die Grenze der Selbstverstümmelung. Alle Aktionen waren stets von Malerei und Zeichnung begleitet, ab 1970, nach seiner letzten Aktion schlägt Brus mit dem Bildroman „Irrwisch“ einen neuen Weg ein, indem er Literatur und bildende Kunst miteinander verbindet. Auch hier ist die intensive Auseinandersetzung mit der körperlichen Existenz zu spüren, die Kunstmappe führt seine innere, sadomasochistische Hölle vor, widmet sich dem Thema Sexualität und ist geprägt von Tabubrüchen.

So erfolgt seine Wandlung zum Bild-Dichter. Er tritt dabei in einen Dialog mit Künstlern anderer Jahrzehnte und Jahrhunderte. Mittels dem ihn eigenen Strich zitiert er ihre Werke und baut sie in seine Seh-Texte ein. In seinen Bild-Dichtungen gibt es neben dem Text auch Schriftspuren, Durchgestrichenes und Leerräume. Auch die Handschrift ändert sich von Zyklus zu Zyklus. Anregungen für seine Sehtexte findet er vor allem bei William Blake, aber auch bei Alfred Kubin. 1979 schreibt und zeichnet er „Des Knaben Wunderhorn“. Der in Schönschrift gestaltete Text und die ornamental angelegten Zeichnungen laden dazu ein, sich in das Werk zu vertiefen.

Mit der 11-teiligen Serie „Das Inquisit“, die sich in der Sammlung Essl befindet, kommt zum ersten Mal eine neue Arbeitstechnik zum Tragen. Seriell gefertigte Bilddichtungen werden auf grossformatige Leinwände übertragen und somit eine Brücke von buchorientierten Zeichnungen zur malerisch gestischen Aktionsmalerei der Vergangenheit geschlagen. Auf dem Titelblatt taucht eine geisterhafte Gestalt aus dem Ungewissen auf, die formell auf ein Goya Werk zurückgeht und wie vom Schrecken erstarrt inne hält.

Spätere Werke weisen einen viel freieren und gelösteren Strich auf. Bild und Text fließen nun ineinander. Für Günter Brus sind Schreiben und Zeichnen gleichbedeutend. Brus’ sprachliche Qualitäten zeichnen sich durch lyrische Passagen, Witz, Satire und Ironie aus. Mit malerischem Feingefühl und oft an Träume erinnernden Blättern stattet er seine Texte aus. Der Leser und Betrachter gerät in ein Spannungsfeld zwischen Wort und Bild.

Elisabeth Pokorny-Waitzer
1) Johanna Schwanberg zitiert Günter Brus: Günter Brus. Werke aus der Sammlung Essl, AK Schömer-Haus, Klosterneuburg 1998, S. 13.
Günter Brus anlässlich seines 60. Geburtstages im Schömer-Haus1 / 4
Wiener Spaziergang2 / 4
Selbstbemalung II3 / 4
Das Inquisit4 / 4
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