Studium am State University College in Buffalo, New York; BFA
1977
Umzug nach New York
Zum Werk
Die US-amerikanische Fotokünstlerin Cindy Sherman ist vor allem für Fotoserien bekannt, bei denen sie mit Hilfe von Verkleidungen,
Schminkspielen und schaurigen Inszenierungen in unterschiedlichste Rollen schlüpft. Dabei agiert sie zugleich vor wie auch
hinter der Kamera: als Regisseurin, Fotografin und Hauptdarstellerin. Das Resultat ist ein Bildkosmos voller genüsslich inszenierter
Täuschungen und Maskeraden, in welchem sich die Künstlerin konzeptuell mit Fragen der Identität, Rollenbilder, Körperlichkeit
und Sexualität beschäftigt.
Auch wenn Shermans künstlerische Arbeit deutlich von ihrer persönlichen Lust an Verkleidung und Verstellung geprägt ist, begreift
sich die Künstlerin immer nur als Darstellerin ihrer fotografischen Inszenierungen, bei denen es nicht um die Person Cindy
Sherman geht. Das gilt bereits für die „Untitled Film Stills“ (1977-1980), eine Serie von Schwarzweiß-Fotografien, mit der
sie zum ersten Mal international Aufmerksamkeit erregt. In ihnen stellt Sherman fiktive Filmszenen nach, die an B-Movies der
1950er Jahre erinnern und inszeniert sich dabei selbst in klischeehaft weiblichen Posen um die mediale Konstruktion von Frauenbildern
zu hinterfragen. In den darauf folgenden „History Portraits“ (1988-1990) untersucht Cindy Sherman erneut die Rollenverteilung in der Gesellschaft
und rechnet gleichzeitig mit der europäischen, männlich geprägten Kultur und Kunstgeschichte ab. Als Rubens' Isabella Brandt
oder Caravaggios Kranker Bacchus inszeniert sich Sherman in der Manier alter Meister und kombiniert innerhalb dieser überzeichneten,
fast bis an die Grenze der Karikatur reichenden Nachstellungen, ihren Körper zum ersten Mal mit Prothesen.
Cindy Shermans Interesse am fragmentierten weiblichen Körper, am Grotesken und Unheimlichen führt in den folgenden Jahren
dazu, dass sie sich als Darstellerin immer mehr aus ihren Bildern zurückzieht und stattdessen Puppen und Prothesen einsetzt.
So arrangiert die Künstlerin z.B. in der „Disasters“-Serie (1986-1989) Kunstglieder, verrottende Nahrungsmittel, Körperausscheidungen,
Erde und Abfall zu grotesken Studien des Verfalls oder in den „Sex Pictures“ (1992) Prothesen, anatomische Modelle und Schaufensterpuppen,
die sexuelle Handlungen simulieren.
Auch in neueren Arbeiten, wie etwa den „Clowns“ (2004), findet das Unbehagen eine subtile Fortsetzung. Diesmal inszeniert
sich die Künstlerin wieder selbst. Mit Clownmasken, Kostümen und einem Ausdruck, der jedes Lächeln langsam gefrieren lässt,
zeigt sie sich vor einem grellbunten, psychedelischen und computergenerierten Hintergrund; und Dank digitaler Technik sogar
mehrmals in einem Bild.
In Shermans aktuellster Werkgruppe von 2008, die erneut durch eine bis ins Detail kompositorisch und technisch präzise Umsetzung
besticht, stehen nun die so genannten Damen der besseren Gesellschaft auf dem Programm. Nach dem Vorbild repräsentativer Auftragsportraits
zeigt Sherman Frauen, deren „beste Jahre“ bereits vorbei sind und die sich krampfhaft hinter Fassaden des Glücks, Erfolges,
Reichtums und vor allem hinter schichtweisem Make-up, künstlicher Bräune und betont jugendlichem Styling verstecken. Die riesengroßen
Fotografien zeigen jedoch gnadenlos die Spuren des Alters und das Bröckeln dieser künstlichen Fassaden.
„Eine bestimmte überdrehte Hässlichkeit hat mich immer schon fasziniert. Dinge, die als unattraktiv und nicht begehrenswert
empfunden werden, waren für mich besonders interessant. Und ich finde diese Dinge auch wirklich schön.“1
1) Zit. Cindy Sherman, in: Grosenick, Uta (Hrsg.): Women Artists – Künstlerinnen im 20. und 21. Jahrhundert, Köln: Taschen
Verlag, 2005, S. 302.