Sam Taylor-Johnson

1967 geboren in London
Lebt und arbeitet in London und Los Angeles

Sam Taylor-Johnson

1967 geboren in London
Lebt und arbeitet in London und Los Angeles

Persönliche Daten

1990 Studienabschluss am Goldsmiths’ College, London

Zum Werk

Die britische Foto- und Videokünstlerin Sam Taylor-Johnson (vor 2012: Sam Taylor-Wood), die 1998 für den begehrten Turner-Prize nominiert wurde, ist durch das verstärkte Interesse an den „Young British Artists“ Mitte der 1990er Jahre in das Blickfeld der Öffentlichkeit gerückt. Mit den so genannten YBA’s verbindet sie ein Studium am Londoner Goldsmiths’ College, die Teilnahme an maßgebenden Ausstellungen wie „Sensation“ oder der 47. Biennale in Venedig sowie ein gemeinsamer Mäzen: der Londoner Kunsthändler und Sammler Charles Saatchi.

Ursprünglich von der konzeptuellen Bildhauerei kommend, wechselt Sam Taylor-Johnson anfang der 1990er Jahre zu den Medien Fotografie und Film. Während sie zu Beginn noch mit provokanten fotografischen Selbstportraits auf sich aufmerksam macht, konzentriert sie sich in den darauf folgenden Jahren auf großformatige Panoramafotografien und Videoinstallationen.

In der Panorama-Fotoserie „Five Revolutionary Seconds“ (1995-98) arbeitet Sam Taylor-Johnson mit einer historischen Kamera der Royal Air Force, die ursprünglich für Luftaufnahmen entwickelt wurde. Mit dieser Panoramakamera, die sich in fünf Sekunden einmal um die eigene Achse dreht, lässt Sam Taylor-Johnson ein 360°-Panoramabild von einer tendenziell dekadenten Gesellschaftsschicht in luxuriösen Lofts entstehen. Da nicht alle Figuren auf einen Blick erfasst werden können, muss sich der Betrachter eine Art filmische Betrachtungsweise aneignen.

„Der Betrachter schafft im Geiste einen neuen Schritt, indem er sich umdreht und eine Person betrachtet und anschließend eine Verbindung zu einer anderen Person darstellt.“1

Neben Panoramafotografien und Videoinstallationen entstehen außerdem Einzelbilder, für welche sich Sam Taylor-Johnson aus dem Fundus der Kunstgeschichte bedient: indem sie Gemälde von Caravaggio bis Cézanne zitiert, ihre Fotografien wie Altarbilder aus der Frührenaissance anlegt oder sich Anregungen von japanischen Shunga- oder Frühlingsbildern des 19. Jahrhunderts holt.

Die von der Sammlung Essl angekaufte Fotoserie „Bram Stoker’s Chair“ (2005), zeigt Sam Taylor-Wood bei einem schwebenden Tanz auf der Lehne eines Sessels, der, wie die Künstlerin selbst, den Gesetzen der Schwerkraft zu trotzen scheint. Der eingefrorene Moment erzeugt Spannung und verrät weder Ursache noch Ausgang dieses physikalisch schier unmöglichen Kunststückes. Was dem Betrachter verborgen bleibt, ist, dass sich Taylor-Wood für diese Fotoserie von einem Bondagekünstler fesseln lässt und stundenlang von der Decke hängt.

Mittels digitaler Bildbearbeitung entfernt sie nicht nur die Fesseln, sondern auch alle Spuren des Schmerzes und der Einschränkungen. Was zurück bleibt, ist das Bild einer Frau, der keinerlei Grenzen gesetzt sind. Beachtet man den Titel der Arbeit, so offenbart sich außerdem, dass hier statt einem physischen vielmehr ein psychologischer Balanceakt zwischen Selbst- und Fremdbestimmung thematisiert wird. Ähnlich wie sich in Bram Stoker’s Dracula das brave viktorianische Mädchen Lucy durch Draculas Biss unverhofft in einen verführerischen Vamp verwandelt, befindet sich auch die Künstlerin in einem fragilen Moment der Leichtigkeit, der jederzeit zu kollabieren droht und die schmale Gratwanderung zwischen Freiheit und Unterwerfung beleuchtet.

Karin Altmann
1) Sam Taylor-Wood, in: Walter, Christine, Bilder erzählen!, Weimar: VDG, 2002, S.163
Sam Taylor-Wood, 20101 / 4
Bram Stoker's Chair II2 / 4
Bram Stoker's Chair I3 / 4
Bram Stoker's Chair V4 / 4
Impressum