Die Reise – für den Künstler Franz Ringel Abstieg in die dunklen Zonen der eigenen Psyche sowie Metapher für Selbsterkenntnis
– ist ein durchgehendes Motiv in seinem Schaffen. Die Konzeption der Ausstellung basiert ebenfalls auf diesem Thema. Unterteilt
in zehn Stationen, an denen der Besucher einmalig auftretende Bildphänomene in Ringels Werk entdeckt, ist das aktuelle Schaffen
des Künstlers Ausgangspunkt der Schau. Station für Station wird der Besucher zurück in die Vergangenheit des Künstlers Franz
Ringel geführt, bis zu den Kasperlfiguren der 60er Jahre – schockierende, von Geschlechtsorganen überladene Zwitterwesen –
sowie zu den Holzschnitten des damals 17-jährigen Schülers der Grazer Kunstgewerbeschule.
Nach seinem Studium an der Akademie der Bildenden Künste bei Professor Albert Paris Gütersloh wird Franz Ringel 1968 durch
die viel beachtete Ausstellung "Wirklichkeiten" in der Wiener Secession bekannt. Die vor Farbe strotzenden Gemälde Franz Ringels
zeigen eine "Wirklichkeit", die brutale und hässliche Wesen zum Vorschein bringt. Sie thematisieren die Problematik des menschlichen
Zusammenlebens und sind Projektionen des Künstler-Ichs, dessen Vergegenständlichung für Ringel wichtigster Bildinhalt ist.
In den 80er Jahren folgt ein abrupter Stilwechsel. So taucht erstmals die Farbe Grün in den Werken Ringels auf.
"Ich habe bis dahin nie mit Grün gemalt – ich habe alle Grüns dem Kindergarten geschenkt. Als die Kinder einmal ihre Mütter
malen mussten und sie malten sie nur mit meinem Grün, gab es einen Skandal."
(Franz Ringel)
Die bekannten "Denkmal" -Bilder zeigen diesen Wandel und illustrieren weiters eine Entwicklung von der Identitätsvielfalt
hin zur Identitätseinheit: Bis 1978 zeigen Ringels Werke immer wieder eine Spaltung und Vervielfachung des Subjekts, oft durch
viele Augen in einem Kopf oder durch die zu einer Zweiheit ("Zwillinge") verwachsenen Figuren, die häufig nur einen Rumpf
besitzen.
In den 80er Jahren setzt auch eine motivische Vielfalt an vertikalen Formen wie Blumen, Bäumen und anderen Pflanzen ein. Zeichen
des Wandels ist die neue Signatur des Künstlers. Anstelle seines Vornamens setzt er die Buchstaben M. J. M. für Margarethe
(seine Ziehmutter), Juliane (seine leibliche Mutter) und Maria (seine Ehefrau), und benennt damit die drei wichtigsten inspirierenden
Bezugspersonen und Leitfiguren seines Lebens.
Wichtig in Franz Ringels Leben ist auch die Auseinandersetzung mit Literatur. Schon als Kind beschäftigt er sich mit der Reise
des Orpheus durch die Unterwelt, Dantes Göttlicher Komödie oder den Schriften von Saint-Exupéry. Werke wie Antonin Artaud
oder Die Reise nach Petuschki zeigen literarische Bezüge. In vielen Stilelementen kommt auch die Nähe des Künstlers zur "Art
brut" zum Ausdruck, verstärkt durch die Freundschaften zu Jean Dubuffet, Leo Navratil und den Gugginger Künstlern. Franz Ringel
steht fest in österreichischer Tradition und wird als hervorragendster Colorist der Österreichischen Malerei nach 1960 gelobt.
Zur Ausstellung erscheint ein Katalog in deutsch/englisch mit Beiträgen von Wolfgang Bauer, Karlheinz Essl, Günter Golinski,
Sepp Hiekisch-Pikard und Sonja Traar sowie Abbildungen aller in der Ausstellung gezeigten Werke. Ein umfangreiches Vermittlungsprogramm
in der Sammlung Essl ergänzt die Ausstellung, die anschließend im Kunstmuseum Bochum zu sehen sein wird.