Erstmals zeigen die weltweit anerkannten Leipziger Künstler Rosa Loy und Neo Rauch, seit 1985 verheiratet, ihre Werke gemeinsam
in einer großen, etwa 80 Arbeiten umfassenden, Ausstellung.Die bedeutenden Werke der Künstler in der Sammlung Essl, die den
Grundstein der Schau bilden, werden durch Leihgaben und neue, noch nie gezeigte Werke direkt aus den Ateliers sowie eigens
für die Ausstellung angefertigte Zeichnungen beider Künstler ergänzt. Für den Katalog führte Kurator Günther Oberhollenzer
ein ausführliches Interview mit Loy und Rauch.
Mit der gemeinsamen Ausstellung erfüllen sich die Künstler, so Neo Rauch, einen „lang gehegten Wunsch“ für den es bisher „an
einem geeigneten Ort und an einer glücklichen kalendarischen Fügung“ fehlte. Für Agnes und Karlheinz Essl, die Loy und Rauch
seit vielen Jahren schätzen, ist es „ eine besondere Herausforderung, das Künstlerpaar in einer gemeinsamen Ausstellung zu
zeigen, geht es doch darum, der individuellen Ausdruckskraft zweier so starker Künstlerpersönlichkeiten gerecht zu werden,
um die Unterschiede, aber durchaus auch Gemeinsamkeiten deutlich werden zu lassen.“
EINBLICKE IN DIE BILD- UND LEBENSWELTEN
Rosa Loy und Neo Rauch gewähren einen einmaligen Einblick in ihre Bild- und Lebenswelten. „Alles ist auf uns, auf unsere Beziehung
und auf die Spannung in unserem gemeinsamen Leben und in unserer Arbeit ausgerichtet“, betont Rosa Loy. In der Ausstellung
wird ein Dialog zwischen den Bildern angeregt, der Unterschiede und Verbindungslinien offenbart. Eine besondere Bereicherung
sind die Arbeiten aus der privaten Sammlung der Künstler, die sie sich unter anderem, so Rosa Loy, „gegenseitig geschenkt
haben. Oder füreinander angefertigt haben. Auf diese Weise ist dann noch mal eine neue Schicht oder Ebene der Gemeinsamkeit
zu sehen.“ Jene konnte bisher nur im Haus der Künstler erfahren werden, denn, so Rauch: „Dort koexistieren die Bilder in trauter
Eintracht und mitunter auch in fruchtbringender Dissonanz. Sodass wir schon immer die Möglichkeit hatten, zu spüren, was es
werden könnte, wenn man diesen letzten Endes ja sehr verschiedenen Ansätzen, die wir verfolgen, die Möglichkeit eines etwas
weiter gespannten Aufeinandertreffens und Miteinandertanzens einräumen könnte.“
VIELSCHICHTIGE KONSTELLATIONEN HINTER DEN GÄRTEN
Den Ausstellungstitel >HINTER DEN GÄRTEN< haben Rosa Loy und Neo Rauch selbst gewählt. Als metaphorisches Bild verweist der
Titel auf die Intention der Künstler, im Arbeitsprozess entstehende spontane Bildeingebungen als Motivfragmente auf die Leinwand
zu bannen und zu vielschichtigen Konstellationen zu vernetzen, um auf diese Weise Momente des Irrationalen und Rätselhaften
einzufangen.
„Hinter den Gärten erstrecken sich die Gebiete des Ungesonderten, des Ungebändigten, dort
ist der Wald, dort lauern die Ungeheuer und der Wildwuchs“, so Neo Rauch. Der Künstler empfindet es als Herausforderung, „das
Paradiesgärtlein zu verlassen und im Unterholz und im Morast Kontakt aufzunehmen mit den abgründigen Formationen menschlicher
Zustände und Möglichkeiten und sie für mich handhabbar zu machen, zu domestizieren und letzten Endes zu lieben und anzunehmen.“
Am Ende muss es so sein, dass der Betrachter das Gefühl bekomme, „mich hat jemand an den Abgrund herangeführt, aber er hat
mich an der Hand genommen und hat mich davon weggeleitet. Ich glaube, das kann eine Funktion von Kunst überhaupt sein.“ Rosa
Loy möchte nicht so weit gehen: „Ich führe sie lieber um den Abgrund herum und weit weg. Denn das Leben ist ein Abgrund. (…)
Und meine Intentionen sind eher so, dass ich versuche, diesen Dingen die positiven Seiten abzugewinnen, um zu zeigen, wie
ich vermeiden kann, überhaupt so nahe am Abgrund entlang zu wandern.“
BILDERRÄTSEL ALS AUSDRUCK DES NICHTVERBALISIERBAREN
Die Vielschichtigkeit der Bedeutungsebenen in der Malerei Rosa Loys und Neo Rauchs wird durch die Kombination von fremd und
gleichzeitig vertraut erscheinenden Motiven erzeugt, deren Sinn nie endgültig entschlüsselt werden kann. Insofern versteht
Rosa Loy ihre Bilder als „Angebot“ für die Betrachter. Basierend auf dem je eigenen Erfahrungshorizont und in Akzeptanz dafür,
dass keine eindeutige Bildaussage fixiert werden kann, soll jeder aus ihren Bildern „das ziehen, was er möchte und was für
ihn wichtig ist.“ Ähnliches gilt für Neo Rauch: „Es muss immer einen Restbestand des Unentschlüsselbaren, des Nichtverbalisierbaren
geben. Also mir ist durchaus daran gelegen, eine Spur durch den Garten hindurch in Richtung Wildnis zu legen. Wichtig ist
aber, dass sich hinter dem Gartenzaun die Spur verliert.“ So bleiben die Grundprinzipien der malerischen Gestaltung – Farbe
und Komposition – in ihrer Bedeutung stets den narrativen Bildelementen vorgeordnet. Denn, so Neo Rauch, „die eigentlichen
Geschichten erzählen die Komposition, das Kolorit, der Farbauftrag. (…) Das ist das, was uns die Malerei erzählt.“