Auslöser für die Foto-Installtion von Priesch war die extreme, alle Lebensbereiche durchdringende Präsenz der amerikanischen
Flagge in den USA und insbesondere in New York nach dem 11. September 2001. Karlheinz Essl traf den seit einigen Jahren in
New York lebenden Künstler Hannes Priesch im Jänner 2002 in seinem Atelier in New York. Der Eindruck der zahllosen amerikanischen
Flaggen in den Straßen New Yorks sowie ihre Widerspiegelung und Hinterfragung im Kunstkontext in der Arbeit von Priesch veranlassten
Karlheinz Essl diese Installation im Kunsthaus der Sammlung Essl im Zuge der umfassenden Foto-Ausstellung AUGENBLICK vorzustellen.
Das Werk von Hannes Priesch zeigt deutlich: Die Fahne ist Ausweis einer Gesinnung, ist Ware, Requisit einer Schaufenstergestaltung
und patriotische Zuwaage. Das Hinschauen mit der Kamera verschafft emotionale Distanz und legt differenzierte Motive unter
der patriotischen Oberfläche frei.
Die Omnipräsenz der amerikanischen Flagge in den USA als Reaktion auf die Terroranschläge des 11. September 2001 ist ein unübersehbares
Zeichen der Gemeinschaft einer an sich multi-ethnischen Gesellschaft. Dieses Symbol scheint bindendes Glied zwischen allen
Amerikanern zu sein. Die vormals kritische Distanz vieler US-Bürger gegenüber dem "Big Apple" hat sich in selbstverständliche
Solidarität gewandelt. New York ist, als ein Ort der Angriffsserie vom 11.9., mit dem übrigen Amerika zusammen gewachsen.
Im Fokus der Fotoarbeit „Paint the Town Red, White and Blue. A Flag Series“ steht das Schauen. Das menschliche Auge ist historisch-soziologisch
codiert: Schauen ist immer Interpretieren. Mit der Kamera schauen heißt, einen Filter aus der subjektiven Anschauung herauszunehmen.
An die Stelle der Zweiäugigkeit tritt eine Zyklopenäugikeit. Dinge verlieren ihre Dominanz, sie werden auf die Größenwerte
zurückgeschrumpft, die wahrscheinlich den eigentlichen Größenverhältnissen entsprechen. Selbst zehn Fahnen in einem Straßenbild
können sich so im fotografischem Bild verlieren. Spiegelungen schließen die Umgebung mit ein, sind Zeugen der Bildüberflutung,
die unsere Augen berauschen und gleichzeitig ermüden: Bruchteilsekundenbilder, die wir nicht mehr wahrnehmen, aber doch aufnehmen.
Die Fotografie friert diese Bruchteilsekundenbilder in ein Bild ein.
Das bewusste menschliche Auge nimmt immer wieder neu Sehaufträge an, wird durch diese Sehaufträge programmiert und spart andere
Teile eines Gesamtbildes einfach aus. Die Kamera dagegen ist dazu noch nicht imstande, vielleicht ist das gut so. Ihre Limits
im Zusammenspiel mit dem Filmmaterial sind physikalisch-chemischer Natur. Die 9 x 11 Fotografien zeigen die Fahne in unterschiedlichen
Kontexten. Die Fahne wird Ware, Requisit einer Schaufenstergestaltung, patriotische Zuwaage zum Konsumartikel, Ausweis einer
Gesinnung. Das Hinschauen mit der Kamera ist auch ein Wegschauen: es verschafft emotionale Distanz.
In seinen Arbeiten konzentriert sich Hannes Priesch auf unterschiedliche Aspekte von Kommunikation und Austausch im gesellschaftlichen Kontext. Die Inhalte seiner Kunst sind nicht kunstspezifisch. Er arbeitet mit gesellschaftlichen Kategorien, wie Sprache, Geld, Identität und kollektiven Vorstellungen und bringt diese ins Feld der Kunst ein. Dabei erhält auch das Subjektive Raum in seiner Arbeit, indem er es in den Schnittpunkt vom Allgemeinen und Kollektiven setzt.