Für die Ausstellung >Junge Mütter und andere heikle Fragen< im Großen Saal des Essl Museums hat Rehberger ein eigenes Raumkonzept
erstellt: eine Kombination aus individuellen Skulpturen, die wiederum Teil zweier Skulpturengruppen sind, Malereien auf Glas
sowie zwei ortsspezifische Installationen.
Aus der Serie „Handycapped Sculptures“ werden einige völlig neue Arbeiten zu sehen sein. Das Besondere an dieser Werkgruppe
abstrakter Skulpturen ist, dass sie einen scheinbaren Defekt aufweisen (Wasser tropft heraus, Teile wirken wie abgebrochen).
Tobias Rehberger setzt sich hier unter anderem mit der Frage der Funktionalität von Kunst auseinander. Kann eine Skulptur
zusätzlich zu ihrer Bedeutung als Kunstwerk eine weitere Funktion erfüllen?
Von der Skulpturenserie „Mütter“ entstehen für das Essl Museum fünf neue Werke. Zu diesen Arbeiten, die als Modelle für ein
Wabenregal, eine Hundehütte oder als Wendeltreppe dienen, sind im Museumsshop Zertifikate erhältlich, die den Käufer zum freien
Nachbau bzw. zur Erstellung eines entsprechenden Objektes berechtigen. Vom Künstler gibt es keine spezifischen Angaben zur
materiellen Ausführung oder Baupläne der Skulptur.
In der gänzlich schwarz ausgemalten Rotunde wird eine von der Decke abgehängte Lampe präsentiert. Diese ist über das Internet
mit dem Atelier des Künstlers verbunden und leuchtet immer dann, wenn das Licht in seinem Arbeitszimmer brennt.
Die zweite ortsspezifische Arbeit entsteht für das Fensterband am Treppenaufgang im Großen Saal des Museums. Was auf den ersten
Blick wie eine abstrakte Anordnung von Farbfeldern aussieht, entschlüsselt sich mit der Zeit als binäre Uhr. Die Installation
besteht aus einer großen Leuchtfläche, die sich aus drei Farben zusammensetzt. Dabei zeigen die grünen Felder die Stunden,
die magentafarbenen die 10er Minuten und die hellblauen Felder die Minuten an.
Tobias Rehberger beschäftigt sich seit seinem 15. Lebensjahr mit Kunst. Mit 19 Jahren wurde sie zu einer ernsthaften Option
für ihn. Nach einem Umzug in die Stadt Frankfurt inskribierte er an der neu strukturierten Städelschule mit Kaspar König als
Direktor und studierte in den Klassen von Martin Kippenberger und Thomas Bayrle. Heute hat Tobias Rehberger selbst eine Professur
für Bildhauerei an dieser Universität inne. Seit Jahren bewegt sich Rehberger an der Schnittstelle zwischen Kunst und Design.
Er greift die bereits im 19. Jahrhundert angefangene Diskussion auf und weiter. Eine präzise Definition des Wortes „Design“
ist gerade heute, wo der Modebegriff scheinbar das größte Bedeutungsspektrum in seiner Entwicklungsgeschichte erreicht hat,
schwierig.
Die Fragestellungen von Tobias Rehberger gruppieren sich alle um das Kunstwerk: Was ist ein Werk? Woher kommt es und wohin
entwickelt es sich? Was kann es sein, und als was und durch was wird es definiert? Was differenziert es zu etwas Anderem?
Der Künstler spielt bewusst mit dem Kontext, in dem sich das Kunstwerk befindet. So installiert er seine Arbeiten auch zum
Beispiel in Bankgebäuden, welche, wie er sagt, funktionale und seiner Definition verhaftete Gebäude sind, genauso wie Museen.
Ein weiteres wichtiges Thema Rehbergers ist die Frage um Authentizität und Autorenschaft. Auch hier integriert er Methoden
und Vorgehensweisen des Produktdesigns in seine Arbeitsweise und lässt Objekte auch aus der Phantasie anderer entstehen. Durch
die vorsätzliche Einführung von Aspekten des Designs, wie zum Beispiel den Entwurfsprozess oder die ästhetische Gestaltung
der Oberfläche in den Kunstkontext, untersucht Rehberger die entstehenden Differenzen auch innerhalb der Kunst. Er versucht,
traditionelle Betrachtungsweisen von Kunstwerken im klassischen Kunstkontext zu verändern und zu erweitern.
Ausstellungsorganisation: Anna Szöke