Birgit Jürgenssen

1949 geboren in Wien
2003 gestorben in Wien

Birgit Jürgenssen

1949 geboren in Wien
2003 gestorben in Wien

Persönliche Daten

1967-1971 Hochschule für angewandte Kunst in Wien (Meisterklasse für Grafik, Prof. Franz Herberth)
1980-81 Lehrauftrag an der Hochschule für Angewandte Kunst in Wien
(Meisterklasse Maria Lassnig)
1982-2002 Lehrauftrag an der Akademie der bildenden Künste in Wien; sie etabliert das Fach künstlerische Fotografie
1984 Teilnahme an der 5. Biennale in Sydney
1988 Gründung der Künstlerinnengruppe DIE DAMEN (Birgit Jürgenssen, Ona B., Evelyne Egerer, Ingeborg Strobl; ab 1993 Lawrence Weiner statt Ingeborg Strobl)
2001 Kuratiert den österreichischen Beitrag der 8. Internationalen Biennale in Kairo
2004 Der Birgit-Jürgenssen-Preis wird ins Leben gerufen und seither jährlich an Studenten der Akademie der bildenden Künste für Werke im Bereich der künstlerischen Fotografie, bzw. Video- oder Medienkunst  verliehen.

Zum Werk

 
„Stellvertretend hat sie ihren Körper publik gemacht, ihre Haut gegeben, für uns die unzähligen Projektionen aufzufangen, die auf sie, die auf jede Frau gerichtet sind.“1
 
Das Werk der früh verstorbenen Künstlerin Birgit Jürgenssen ist in der internationalen Tradition weiblicher Emanzipation verortet, in Österreich zählt es zur feministischen Avantgarde, ebenbürtig neben dem Schaffen von Maria Lassnig und VALIE EXPORT. Der inszenierte weibliche Körper und seine Metamorphosen stehen im Zentrum ihres zeichnerischen, fotografischen und malerischen ¼uvres, oft mit subtilen, ironischen Ansätzen pointiert.
 
In den 1970ern protestiert Jürgenssen gegen gesellschaftliche Rollenmodelle von Frauen, indem sie ihren eigenen Körper zum Mittelpunkt ihrer kritisch- ironischen Fotoarbeiten macht. Sie hinterfragt die stereotypen Verhaltensweisen von „angepassten“ Frauen in vielfältiger Weise. In Zeichnungen, wie „Bodenschrubben“(1975) oder „Fensterputzen“(1975) und Objekten thematisiert sie zum Beispiel das triste Hausfrauendasein, indem sie sich den Herd wie eine Küchenschürze umhängt (Hausfrauen-Küchenschürze, 1975) und rebelliert so offen gegen Konventionen.
 
Birgit Jürgenssen setzt damals das Medium Zeichnung in der männlich dominierten Kunstwelt durchaus subversiv ein. Die vielfach reproduzierte Farbstiftzeichnung „Efeublatt“ (1976), die sich im Bestand der Sammlung Essl befindet, zeigt in sechs Schritten die Verwandlung eines erotischen, rot geschminkten Mundes in ein schlussendlich alles verdeckendes Efeublatt. Es lässt sich als Metapher für Lust und Sexualität verstehen und ihre in der österreichischen Gesellschaft der 1970er Jahre immer noch verankerte  Verschleierung.
 
Auf dem Gebiet der künstlerischen Fotografie gilt Jürgenssen als Pionierin. Die Sammlung Essl besitzt eine Reihe von Farbfotografien „o.T.“ (1979/80) der Künstlerin, die in einem Konkavspiegel gemacht wurden, wobei Spiegelungen als Element der Wahrnehmung und des Gestaltens eine zentrale Rolle darstellen.  Bei dieser Arbeit agiert die Künstlerin vor und hinter der Kamera. Die ausschnitthaft abgelichteten Körperteile erscheinen stark verzerrt und verformt.
 
Das sechsteilige Werk „Nonne“ (1990) der Sammlung Essl besteht aus einer annähernd in Kreuzform zusammen gefügten Konstellation von Bildern. Birgit Jürgenssens stark geschminktes Gesicht mit dem lächelnden Mund und dem zum Schweigen an den Mund gelegten Finger, werfen Fragen zu weiblicher Identität und Rollenspiel auf. Zwei weitere Fotos sind in rot gehalten, drei andere zeigen einen Ausschnitt eines vertrockneten Strauches mit roten Beeren. Früchte, Glut und Sinnlichkeit, sowie ein Spiel mit der Haptik der Bildoberfläche sprechen aus dieser auf Stoff gedruckten Arbeit. 
 
„Teilweise sind meine Arbeiten Reflexionen auf den Mythos der Macht männlichen Wunschdenkens. Als Verführte möchte ich wieder verführen und mit visuellen Mitteln ein Gefühl der Sinnlichkeit erzeugen,“ 2 meint Jürgenssen selbst.
 
Elisabeth Pokorny-Waitzer
 
1) Markus Mittringer, in: Birgit Jürgenssen, Schuhwerk. Subversive Aspects of „Feminism“, AK Museum für Angewandte Kunst, Wien, 2004, S. 9.
2) Birgit Jürgenssen, in: Manfred Schmalriede/Silke Schmalriede (Hrsg.), 2. Internationale Foto-Triennale Esslingen 1992. Erfundene Wirklichkeiten, Stuttgart, 1992, S. 109.

Birgit Jürgenssen, 19731 / 4
Nonne, 19902 / 4
Efeublatt, 19763 / 4
Ohne Titel, 19794 / 4
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