Kurt Kocherscheidt

1943 geboren in Klagenfurt, Österreich
1992 gestorben in Wels, Oberösterreich

Kurt Kocherscheidt

1943 geboren in Klagenfurt, Österreich
1992 gestorben in Wels, Oberösterreich

Persönliche Daten

 

1961-65

Akademie der bildenden Künste, Wien

1963/64

Studium an der Akademija Likovnih Umjetnosti, Zagreb

1968

Gründungsmitglied der Gruppe „Wirklichkeiten“

1969-71

Atelier in London

1972

Rückkehr nach Wien. Ab Mai neunmonatige Südamerikareise von Feuerland bis in die Karibik.

1973

Heirat mit Elfie Semotan

1979

erster Aufenthalt in den Ateliers des Morat-Instituts in Boissano an der ligurischen Küste bei Savona

1981

Reise nach Kalifornien und Mexiko

1986-87

Sein Atelier auf dem Grieselsteiner Anwesen wird nach Kocherscheidts Plänen ausgebaut und vergrößert

1991/92

Reisen nach Georgien (Kolchis), St. Petersburg und Moskau

1992

Teilnahme an der documenta IX, Kassel

1992

Verleihung des großen Österreichischen Staatspreises


Zum Werk

 
„Die Beendigung eines Bildes ist viel schwieriger als sein Beginn, in Wahrheit unmöglich. Ich verstehe die Entwicklung eines Bildes als Fluß von Bildern, der beinahe beliebig angehalten wird.
Eine Idee oder auch nur ein Gedanke wird aufgerissen, verdichtet und überlagert, zersplittert und wieder zusammengefasst, zurechtgerückt. In dem Augenblick, in dem ein kurzer Verlust der Kontrolle eintritt, eine kleine Wendung vorgenommen wird, die das lähmende Fixiertsein unterbricht, mit einem Wort, wenn das Bild selbständig wird, eine Gelegenheit findet, zurückzuschlagen, ist ein guter Moment gekommen, aufzuhören.“                         Kurt Kocherscheidt, Dezember 19911
 
Kurt Kocherscheidt beschwört in seinen Gemälden die elementare Zeichensprache der Natur: Fasziniert von fremdartigen Naturschauplätzen, die durch Hohlräume oder hoch hinaufragende Gesteinslandschaften geprägt sind, repräsentieren seine Bilder Natur als stille Instanz. Nach seiner Amazonasreise erschafft Kocherscheidt ab etwa 1975 fremdartige Bildwelten in gedämpften Grau- und Brauntönen. Stilllebenhafte Situationen in einer kargen und ortlosen Landschaft zeigen manipulierte Gegenstände, die schwer zu deuten sind, da sie ihre Form und Funktion verloren haben. Das erste Ölgemälde Kocherscheidts „Ohne Titel“ aus dem Jahr 1979 das für die Sammlung Essl erworben wurde, zeigt sehr gut den erdverhafteten Farbcharakter seiner Frühzeit. Einige mehrdeutige Objekte liegen wie im Traum surreal verteilt in einer wüstenartigen Landschaft, die dem Betrachter leicht aufsichtig dargeboten wird.
 
„Aber die Nachtschnecke gleitet über die Trümmer die ganze Nacht, malt und malt Muster über Muster, dumpfe Zeichen der Natur.“                        Kurt Kocherscheidt, Juni 19862
 
In den 1980er Jahren wird die malerische Struktur der Bilder intensiver und die Farbfläche an sich, beziehungsweise der Hintergrund wird ab 1987/88 bildbestimmend.
Es entstehen mehrere abstrakt gehaltene Werke mit Rechteckflächen und Kugelformen vor schwarzem Grund. Die beiden Werke „Abstand“ (1987) und „Gewichten“ (1987) aus der Sammlung Essl sind in ihrer Konzentration auf die Farben Schwarz und Weiß, sowie auf rechteckige und runde Grundformen repräsentativ für Arbeiten dieser Zeit. In formaler Nähe dazu steht eines seiner Hauptwerke, „Großer Zurbarán“, welches im selben Jahr entsteht, und aufgrund seiner intensiven Beschäftigung mit den Stillleben des spanischen Barockmalers Francisco de Zurbarán hervorgeht. Kocherscheidt thematisiert hier ein rhythmisches Aufreihen von runden Objekten, die aus dem schwarzen Grund auftauchen.
 
Kurz darauf erhält dann die Farbe in seinen Arbeiten der „Ägyptischen Reihe I-VI“ (1987) wieder Dominanz auf der schwarzen Grundfläche. Der unregelmäßige, malerische Pinselduktus der Bilder verdeutlicht Schicht für Schicht den Farbauftrag auf dem Bildträger. Die hinterlassenen, flirrenden Farbstrukturen auf der Leinwandmembran vermitteln jene Geräusche, die direkt während des Malprozesses hörbar werden. Das Rauschen und Dröhnen von Farbflächen, ein innerer Klang des Bildes stellt sich auf der sensuellen Ebene ein und „die Bilder rücken in die Nähe von Musik“3, wie Kocherscheidt meint.
 
Insgesamt lässt sich eine starke Reduzierung beobachten von anfänglich mehreren figurativen Gegenständen in seinen frühen Arbeiten hin zu nur einer völlig abstrahierten Einzelform pro Leinwand. Getragen von melancholischer Stimmung präsentiert das Bild „Chinesische Mitte II“ von 1991 eine gesteinsartige, durchlöcherte Urform die sich scheinbar schwebend in einem dunkelgrünen Raum befindet. Sowohl die unruhige Oberfläche des grünen Hintergrundes, als auch der pastose Farbauftrag der schwarzen Zentralform tragen zur Intensivierung des Bildes bei. Die Gleichwertigkeit von Figur und Grund stellt sich im Spätwerk ein. Dies wird auch in seiner Arbeit „Ohne Titel (Kleiner Teich III)“ von 1991 deutlich, welches sich durch den starken Farbkontrast und die Konzentration auf eine ockerfarbene, elliptische Form auszeichnet. Mit dem Thema Teich und Seerosen beschäftigte sich Kocherscheidt, sozusagen als Hommage an Monet, in mehreren Varianten. Das Werk der Sammlung Essl ist bereits so stark abstrahiert, dass die Ellipse (trotz des Titels) nicht mehr eindeutig als Seerosenblatt zu deuten ist, zumal die spiralförmige Binnenzeichnung auch andere Assoziationen weckt. Die Spirale erweist sich noch in weiteren Werken aus dem Jahr 1992 als besonders kennzeichnendes Motiv.
 
Ab etwa 1986 entstehen auch archaische Holzskulpturen, die, aus groben Holzbrettern zusammengezimmert, an die Wand gelehnt präsentiert werden. Diese schildförmigen Halbskulpturen wurden von Kocherscheidt als Körper verstanden, mehrere zu einem Werk gruppiert und dienten auch als Malgrund. Für Furore sorgten seine beiden monumentalen und freistehenden Skulpturen, das „Tor der Winde“ (1992) auf den Kykladen und das Werk „Aufwärtsgleitend“ (1992), welches auf der documenta IX präsentiert wurde.
 
Annette Stein
 
1) Zitiert aus: Kurt Kocherscheidt. Bilder 1987-1992, AK Westfälischer Kunstverein, Münster, 1994, S. 64.
2) aus: Kurt Kappa Kocherscheidt, AK Essl Museum, Klosterneuburg, 2013, S. 3.
3) Zitiert nach Michael Lüthy, „Ein Lob dem groben Schnitt, dem brechenden Rand und der Bildentgleisung. Kocherscheidt – Sartre – Rihm“, in: Heinz Liesbrock (Hg.), Brustrauschen. Zum Werkdialog von Kurt Kocherscheidt und Wolfgang Rihm, Ostfildern-Ruit: Hatje Cantz Verlag, 2001, S. 42.

Kurt Kocherscheidt in seinem Atelier, Wien 19881 / 7
Ohne Titel2 / 7
Gewichten3 / 7
Abstand4 / 7
Ägyptische Reihe I5 / 7
Chinesische Mitte II6 / 7
Ohne Titel (Kleiner Teich III)7 / 7
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