Zoran Mušič

1909 geboren in der damals österreichisch-ungarischen Stadt Görz, heute Gorizia, Slowenien
2005 gestorben in Venedig

Zoran Mušič

1909 geboren in der damals österreichisch-ungarischen Stadt Görz, heute Gorizia, Slowenien
2005 gestorben in Venedig

Persönliche Daten

1930-34 Studium an der Akademie der Schönen Künste, Zagreb
1950 Premio Gualino der XXV. Biennale in Venedig
1952-53 Mušič zieht nach Paris, behält daneben sein Domizil in Venedig
1955 Teilnahme an der documenta I, Kassel
1956 Gran Premio della grafica der Biennale von Venedig
1957 Grafik-Preis der Biennale von Ljubljana
1960 Unesco-Preis
1980 Mitglied der Akademie der Wissenschaften und Künste Sloweniens
Titelverleihung „Commandeur des Arts et des Lettres“ in Paris
1993 Verleihung des Ordens „Officier de la Legion d’Honneur

Zum Werk

„Alle meine Arbeiten umkreisen ein Thema: die Wüstenlandschaft des Lebens.“1
„Meine Bilder entstehen aus mir selbst, aus der Erinnerung und, wie soll ich sagen, was in mir steckt, muss ich verarbeiten“2


Zoran Mušič’ Malerei ist anfänglich von den Kindheitserinnerungen an die Karstlandschaft Dalmatiens geprägt. Seine Aufmerksamkeit galt einer Einfachheit, die dem Nichts nahe war, in der Natur, wie auch beim Menschen. Im Gemälde „Donne dalmate“ von 1948 (Abb. siehe Zoran Mušič, Eremit. Zeitzeuge. Philosoph, AK Sammlung Essl, Klosterneuburg, 1999, S. 27) reiten drei Frauen mit ihren Umhängen in einer kargen Landschaft auf hügelartige Häuser zu. Die Reitenden entfernen sich vom Betrachter, indem sie ihm den Rücken zuwenden. Die Farben rot, orange, rosa, gelb und lila geben dem Bild einen warmen Ton. Kleine Farbstriche, die quer über den Vordergrund gesetzt sind, lassen das Bild flirren und vermitteln eine Ahnung von der sommerlichen Hitze, die über der Landschaft liegt.

Nach dem 2. Weltkrieg schafft der Künstler in erster Linie poetische Landschaften, die mehr und mehr abstrahiert werden und durch einen immer reduzierteren Farbeinsatz gekennzeichnet sind. Zu den sienesischen und umbrischen Landschaften entstehen erstmals in den 1950er Jahren Radierungen, die Mušič’ künstlerische Entwicklung stets begleitet haben.

Bis 1970 blendet der Künstler seine Erinnerung an die schrecklichen Erlebnisse im Konzentrationslager Dachau, in das er 1944 deportiert worden war, in seiner Kunst aus. Durch die Kriegsereignisse in Vietnam, gelangen die verdrängten Schrecknisse wieder an die Oberfläche des Bewusstseins. In seinen stillen, berührenden und ausdrucksstarken Bildern mit dem Titel „Nous ne sommes pas les dernieres“ („Wir sind nicht die Letzten“, entstanden 1970-75) versucht er seine Vergangenheit zu verarbeiten. Die Insassen in Dachau hatten sich als „die Letzten“ bezeichnet und sich vorgestellt, wenn sie überlebten, würde nach ihnen niemand mehr einer ähnlichen Gewalt durch Menschenhand ausgesetzt sein. So kam der Bilderzyklus, der den Betrachter mit den Geschehnissen in Dachau konfrontiert, zu seinem Namen.

Eines dieser Werke (Abb. siehe Zoran Mušič, 1999, S. 59 und Katalogcover) zeigt die schemenartige Darstellung eines Menschen im Todeskampf. Die ausgemergelte Gestalt hat den Mund zum Schrei geöffnet und ihr Kopf ist nach hinten gefallen. Die Expressivität des Bildes liegt im Erfassen der inneren Befindlichkeit des gepeinigten Menschen, die sich nach außen spiegelt. Die Farbigkeit ist düster in schwarz, blau und grau gehalten; Farben, die Reminiszenzen an Gefangenschaft hervorrufen. Stumm fällt der Blick des Betrachters auf das Gemälde und erfasst die von Menschen verursachte Grausamkeit. Ähnlich wie bei Goyas „Desastres de la guerra“ geht es hier nicht allein um Kunst, sondern vor allem auch um Zeugenschaft: Wir sind die Letzten, denen solch schreckliches widerfährt.

Auch Jahre später widmet sich Mušič der Darstellung des Flüchtigen und Vergänglichen. In den Werken der späten 1980er und 1990er Jahre sind dunkle Figuren zu finden, die seine Frau Ida und ihn entweder im Selbstportrait oder im Doppelportrait als schemenhafte Figuren zeigen, die dem Bildraum jederzeit wieder entfliehen können (Abb. siehe Zoran Mušič, 1999, S. 87-93). „Der Künstler setzt für sein Abbild (Abb. siehe Zoran Mušič, 1999, S. 95) eine äußerste Verknappung der malerischen Mittel ein. Auf einer ungrundierten [...] Leinwand definiert er den Körper ausschließlich durch eine dunkle Konturzeichnung, nur Hände und Gesicht werden weiß gehöht und damit körperhafter definiert. Die Figur steht auf der groben Leinwand, der Umraum ist nicht definiert, nur eine Lavierung bildet eine Art energetische Aura um die Gestalt. Diese Person, die uns da gegenübersteht, hat scheinbar alles unwesentliche des Täglichen hinter sich gelassen, scheint fast völlig vergeistigt, transzendent. Nur die geistige Auseinandersetzung und der künstlerische Schaffensprozess, durch die Weißhöhung des Kopfes und der Hände symbolisiert, scheinen noch wesentlich, alles andere ist Vergangenheit, nicht auf dem Bild existent. In der Knappheit der eingesetzten künstlerischen Mittel und der herausragenden Ausdruckskraft sind diese Portraits für mich besonders beeindruckende Reflexionen über das Geistige im Alter, voller Würde und Geheimnis.“3

Elisabeth Pokorny-Waitzer
1) Zoran Mušič in: Zoran Mušič, AK Kunsthalle Schirn, Frankfurt/Main 1997, S. 159.
2) Zoran Mušič im Gespräch mit Karlheinz Essl in: Zoran Mušič, Eremit. Zeitzeuge. Philosoph, AK Sammlung Essl, Klosterneuburg, 1999, S. 17.
3) Andreas Hoffer, in: Schönheit und Vergänglichkeit, AK Essl Museum, Klosterneuburg, 2011, S. 21/22.
Zoran Mušič in seinem Atelier in Venedig1 / 1
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