Adolf Wölfli (1864-1930) gehört zu den bedeutendsten Vertretern der so genannten «Art Brut». In den 35 Jahren seines Aufenthalts
in der Irrenanstalt Waldau bei Bern hat der als schizophren diagnostizierte Künstler ein faszinierendes Werk riesenhaften
Ausmaßes geschaffen. Dessen Einzigartigkeit gründet in der Untrennbarkeit von Text, Bild und Musik, in der strukturellen Verschmelzung
verschiedener künstlerischer Medien. 25.000 meist großformatige, zu Heften gebundene Seiten umfaßt dieses «kompliszierte Wärk»,
wie es Wölfli selbst genannt hat: Notationen, phantastische Erzähltexte, Illustrationen, Collagen, Gedichte, Bilder, Lautschriften
und abstrakte Buchstaben- und Zahlenkompositionen verschlingen sich darin zu einer Weltkonstruktion, einem Netzwerk von Bezüglichkeiten,
deren strenge Ordnungsprinzipien uns letztlich verschlossen bleiben. Der manische Gestaltungswille Wölflis richtete sich dabei
konsequent auf ein Ziel: auf die Erschaffung einer einzigartigen Kopfwelt, der «Skt. Adolf-Riesen-Schöpfung». Im Kopf erfand
sich Adolf Wölfli nicht nur seine Privatmythologie, sein eigenes Zahlensystem und Vokabular, seine Musik und eigene künstlerische
Formen - was er sich miterfand, war eine neue, ruhmreiche und intakte Existenz. Nach zwanzig Jahren ruhelosen Arbeitens konnte
sich der ehemalige Knecht und Landarbeiter als Herrscher über seine Kopfwelt, als «Skt. Adolf II.», inthronisieren.
Das Projekt Kopfwelten.ADOLF WÖLFLI ist der Versuch, eine der waghalsigsten Kopfreisen und Gedankenkonstrukte des 20. Jahrhunderts
zu beleuchten - dem künstlerischen Grenzgang Adolf Wölflis bildlich, textlich und musikalisch nachzuspüren. Der Ganzheitlichkeit
und Intermedialität von Wölflis Schaffen gerecht zu werden, war eine der Herausforderungen dieses Projektes.
In Zusammenarbeit der ADOLF-WÖLFLI-STIFTUNG (Kunstmuseum Bern) und der SAMMLUNG ESSL kann die erste umfassende Schau von Originalwerken
Wölflis in Wien präsentiert werden (25. 10. bis 9. 12. 2001). Sie beinhaltet Arbeiten aus allen fünf, zwischen 1904 und 1930
entstandenen Werkkomplexen Wölflis.
Im Rahmen des Festivals WIEN MODERN werden Konzert- und Performance-Veranstaltungen die musikalische Seite von Wölflis Werk
beleuchten, und es werden höchst unterschiedliche Formen der musikalischen Wölfli-Rezeption präsentieren: darunter finden
sich Werke u.a. von Georg Friedrich Haas, Wolfgang Rihm, Georges Aperghis, Gösta Neuwirth, Gerhard E. Winkler, Germán Toro-Pérez
und Lucia Ronchetti, wovon manche eigens für die Kopfwelten.ADOLF WÖLFLI komponiert wurden. Ein Symposium thematisiert auf
wissenschaftlicher Ebene Wölflis monumentales Gedankengebäude.
Textlichen Aspekten widmet sich ein Theaterabend im Kasino am Schwarzenbergplatz (BURGTHEATER WIEN) sowie eine Klanginstallation im Rahmen der Ausstellung.
Kopfwelten.ADOLF WÖLFLI ist eine Kooperation der Adolf-Wölfli-Stiftung (Kunstmuseum Bern), der Sammlung Essl und des Festivals
Wien Modern. Mit freundlicher Unterstützung der STANLEY THOMAS JOHNSON STIFTUNG und der Stiftung PRO HELVETIA.
Daniel Baumann / Berno Odo Polzer