ZEITKLANG

Preisträgerkonzert des internationalen Kompositionswettbewerbes mit Uraufführungen junger europäischer KomponistInnen

ZEITKLANG

Preisträgerkonzert des internationalen Kompositionswettbewerbes mit Uraufführungen junger europäischer KomponistInnen
Sa, 12.03.2011, 19:30 Uhr

Klosterneuburg

In Zusammenarbeit mit musik aktuell - Neue Musik in Niederösterreich, hat die Sammlung Essl letztes Jahr einen europäischen Kompositionswettbewerb ausgeschrieben.

In Zusammenarbeit mit musik aktuell - Neue Musik in Niederösterreich, hat die Sammlung Essl letztes Jahr einen europäischen Kompositionswettbewerb ausgeschrieben. Gesucht waren neue Werke für Streichquartett, die sich mit den veränderten künstlerischen und gesellschaftlichen Bedingungen des 3. Jahrtausends auseinandersetzen und diese in eigenständiger Weise kompositorisch reflektieren. Gewünscht war ein avancierter Umgang mit dem Klangkörper des Streichquartetts sowie eine Auseinandersetzung mit den Phänomenen des Klanges und des Raumes.

Aus den zahlreichen eingelangten Partituren hat eine Jury unter dem Vorsitz von Gerd Kühr (mit Klaus Lang, Christoph Cech, Joanna Lewis und Claudius v. Wrochem) eine Vorauswahl von fünf Werke getroffen, die in diesem Konzert uraufgeführt werden. Nach dem Konzert werden die Preisträger ermittelt; das Publikum vergibt einen Sonderpreis.
Univ.-Prof. Dr. Karlheinz Essl
Musikintendant der Sammlung Essl


PROGRAMM

Juan Cruz-Guevara (* 1972, E): Transmutacion de la Sombra (2010) - UA

Martin Iddon (* 1975, UK): Mohl ip (2010) - UA

Roberto David Rusconi (* 1976, I): De Arte Respirandi (2010) - UA

Nicolas Tzortzis (* 1978, GR): Intuition - processus (2010) - UA

Ansgar Beste (* 1981, S): Pèlerinage Fantastique (2010) - UA


AUSFÜHRENDE

Kairos Quartett (Berlin)

Wolfgang Bender: Violine Stefan Häussler: Violine Simone Heilgendorff: Viola Claudius von Wrochem: Violoncello

 

WERKEINFÜHRUNG
Roberto David Rusconi: De Arte Respirandi

Das Werk untersucht den unterschiedlichen östlichen bzw. westlichen Zugang zu künstlerischen Produktionen: der Westen betrachtet den künstlerischen Output als Ware, die möglichst hohe Verkaufszahlen produzieren sollte; auf der anderen Seite sieht der Osten das künstlerische Werk als einen Weg, etwas bisher Unbekanntes zu enthüllen, das es vielleicht möglich macht, die innere Bedeutung des Selbst und seines Lebens zu begreifen.
 
Als Komponist, Musiker, Lehrer und Wanderer in der Welt der europäischen Klassik und der zeitgenössischen Musikwelt des 21. Jahrhunderts glaubt Roberto Rusconi, dass der kapitalistisch-kommerzielle Zugang nicht nur die Kreativität und die Seele des Künstlers vernichtet, sondern auch Jahrhunderte altes traditionelles Musikverständnis zerstört.
 
So ist die Absicht seines Werkes, mit alten Instrumenten und präziser Technik zu einem Weg zurückzukehren, der den Klang als etwas interpretiert, das in sich selbst existiert. Die Aufgabe der Ausführenden ist eine genaue Erforschung des Atems als primitivstem und körperlichstem Akt des Lebens und des Spielens. Die ganze Struktur, Phrasierung, Artikulation und Dynamik eines Werkes baut auf Atmung auf und versucht, eine Verbindung zwischen menschlicher Physiologie und dem Produzieren und Hören des Klanges herzustellen. Alle musikalischen Traditionen und alten Meister betonen die Wichtigkeit der korrekten Haltung und des richtigen Atmens, um den gewünschten Klang zu produzieren und so das Hören zu einem einzigartigen, fast spirituellen Erlebnis zu machen. Um so neue Einsichten in Klangwelten zu ermöglichen, müssen die Tugenden des sorgfältigen Zuhörens wieder geübt werden.
 
Die moderne Konsumwelt überflutet uns täglich mit Werbung und Musik, sodass die Menschen automatisch weghören. „De Arte Respirandi“ möchte zum genauen, aufmerksamen, meditativen Zuhören führen und verführen.
 

Martin Iddon: Mohl ip

Der Titel „Mohl ip“ ist eine Übersetzung aus dem Koreanischen; der Begriff bezieht sich auf das purpurfarbene oder blassblaue Licht, das mit geschlossenen Augen während der frühen Stadien einer Meditation gesehen werden kann. Das Stück ist nicht programmatisch, verlangt aber extrem kontrollierte, flüssige Bewegungen von den Musikern. Es ist genauso hörbare wie auch körperlich sichtbare Musik. Die physikalische Performance ist daher von großer Wichtigkeit und sollte laut der Absicht des Komponisten mit der Geistes- und Körperkontrolle ausgeführt werden, wie sie Balletttanz oder Kampfkünste wie z.B. Tai Chi verlangen.
 

Nicolas Tzortzi: Intuition – processus

Das Werk, geschrieben zwischen Juni und November 2010, ist von der Geschwindigkeit des menschlichen Denkens inspiriert, besonders wenn sich der Geist in einem geängstigten oder alarmierten Zustand befindet. Man durchlebt eine Phase sehr schnell vorüberziehender Gedanken, bevor man sich auf einen Gegenstand oder einen Gedanken konzentriert, nur um sofort wieder abgelenkt zu werden.
 

Ansgar Beste: Pèlerinage Fantastique für präpariertes Streichquartett

Die Hauptidee des Werkes ist es, die Fantasie von Musikern wie Zuhörern zu einer fantastischen Reise oder Pilgerfahrt einzuladen, sei es eine äußere Reise zu einem wundersamen Ort oder eine innere Reise zu den Wundern unserer Innenwelten. Gleichzeitig kann das Werk als eine fantastische oder visionäre Pilgerfahrt zu der reichen erweiterten Klangwelt des präparierten Streichquartetts, inklusive vielfältiger musikalischer Cha¬raktere, Höhepunkte, Tiefpunkte und Überraschungen, betrachtet werden, als ein Ergebnis des Arbeitsprozesses des Komponisten, der sich langsam durch den wilden Dschungel ungezähmten Klangmaterials vortastet.
 
Auf eher technisch-musikalischer Ebene durchlebt die Komposition eine klangliche Pilgerfahrt in 3 gleich langen Teilen von diskontinuierlichen, perkussiven und repetitiven zu kontinuierlichen, liegenden Klängen.
 
Die Aufführung beginnt, wenn die Interpreten Stricknadeln zwischen den Saiten ihrer Instrumente ein¬fädeln. Das Stück endet, wenn die Spieler gleichzeitig ihre Stricknadeln aus den Saiten herausziehen und dabei die Idee von totalem Stillstand und totaler Stille hervorrufen.
 

Juan Cruz-Guevara: Transmutacion de la Sombra

Das 5-sätzige Streichquartett arbeitet mit Klangeffekten, die Schatten und Licht widerspiegeln, abhängig von verschiedenen Lichtsituationen und daraus resultierenden Möglichkeiten, Schatten zu produzieren – beispielsweise bewegliche Schatten, die von einer Person erzeugt werden, dichte Gebäudeschatten, flirrende Licht- und Schatteneffekte unter einem Baum, ätherische Schatten beim Zusammenspiel mehrerer Farbtöne, die Vielzahl der Farbtöne, die in die Aura einer Person verwoben sind, flüchtige Schatten...


BIOGRAFIEN
Roberto David Rusconi
 Geboren in Venedig, entwickelte Rusconi früh ein Interesse an klassischer und ebenso zeitgenössischer Musik. Er wuchs in einer Musikerfamilie auf und lernte Violine unter der Betreuung seines Großvaters, der erster Geiger unter Toscanini war. Rusconi besuchte das Konservatorium in Padua und schloss seine Studien in Komposition, Klavier, Chordirigat und Elektronischer Musik ab. Weitere Studien führten ihn u.a. zu Beat Furrer und Friedrich Haas nach Deutschland.
1994 übersiedelte er nach England, wo er seither als freier Produzent, Komponist und Lehrer arbeitet. Er war künstlerischer Leiter des Intrasonus Festival in Venedig von 2006 bis 2009. Zurzeit unterrichtet Roberto Rusconi an der British International School Phuket in Thailand und an der Madidhol Universität Bangkok. Der Kompositionskatalog umfasst eine große Zahl an Kammermusik und Ensemblestücken, der Komponist ist aber auch bekannt für seine elektronischen Produktionen als „Kryon“. Seine Werke wurden u.a. von den Ensembles Klangforum Wien, Contrechamps, Mitgliedern des Arditti Quartet, JACK String Quartet und Trio Fibonacci in ganz Europa aufgeführt.
CD-Produktionen und die Publikation eines Manifests über die Notwendigkeiten der klassischen zeitgenössischen Musikszene sowie die Gründung der theosophischen Musikbewegung „Sound Samadhi“ runden sein Werk ab.
 

Martin Iddon
Martin Iddon lebt und arbeitet in England. Er schloss sein Musikstudium an der Universität Durham (GB) mit Auszeichnung ab und studierte weiters Komposition und Musikgeschichte an der Universität Cambridge, sowie Komposition bei Fabrice Fitch und Robin Holloway und Musikwissenschaft bei John Butt und Ian Cross. Seit Erlangen des Doktorgrades 2004 lehrt Iddon an der Universität von Lancaster/GB. Martin Iddon nahm als Teilnehmer an den Darmstädter Ferienkursen für Neue Musik, sowie an den Internationalen Meisterklassen für junge Komponisten in Stuttgart teil; in beide Kurse wurde er ab 2009 als Lehrer bzw. Jurymitglied eingeladen. Er unterrichtete außerdem als Gastlektor für Komposition u.a. an der Musikhochschule Freiburg und leitete Workshops für „Composing-as-Research“ in Glasgow, „Komposition in der Post-Avantgarde“ in Stuttgart und „On his own music“ an der Universität San Diego in Kalifornien. Neben seinen zahlreichen Kompositionen publiziert Iddon als Autor und als Übersetzer Bücher über zeitgenössische Musik bzw. über Werk und Bedeutung zeitgenössischer Komponisten (u.a. Adorno, Cage und Ferneyhough).
 
Nicolas Tzortzi
Der 1978 in Athen geborene Grieche Nicolas Tzortzis erhielt seine musikalische Ausbildung in Paris, Bern und Athen. Unter den vielfältigen Lehrgängen und weiterbildenden Kursen und Meisterklassen sind u.a. die Studienrichtungen Komposition, Solo-Gitarre, Fuge, Kontrapunkt und Harmonielehre. Im Vorjahr besuchte er außerdem einen Kurs für Computermusik im Institut IRCAM (Institut de Recherche et Coordination Acoustique/Musique) in Paris und promovierte an der Universität Montreal in Komposition (Klasse Philippe Leroux).
 Tzortzis erhielt für seine Arbeiten zahlreiche Auszeichnungen und Preise; im Vorjahr gewann er den ersten Preis beim „Franco Donatoni“-Wettbewerb in Italien und beim „DuoSolo Emerging Composers Competition“ in Stillwater, Oklahoma. Der Komponist lebt und arbeitet in Paris.
 

Ansgar Beste
Ansgar Beste wurde in Malmö, Schweden geboren und begann an der Musikhochschule Malmö sein Studium der Komposition, ergänzt durch Studienaufenthalte am Mozarteum Salzburg und an der Musikhochschule Karlsruhe, sowie Privatunterricht bei Helmut Lachenmann. Er studierte an der Hochschule für Musik Franz Liszt in Weimar Opernkorrepetition, Dirigieren und Komposition. Außerdem absolvierte er pädagogische Ergänzungsstudien in Klavier und Musiktheorie sowie Kulturmanagement. Ein künstlerisches Masterstudium Komposition bei Luca Francesconi an der Musikhochschule in Malmö ergänzte seine Ausbildung. Er besuchte unter anderem die Internationalen Ferienkurse für Neue Musik Darmstadt und Meisterkurse für Chor- und Orchesterdirigieren. Als Liedbegleiter und Korrepetitor am Theater Erfurt und an der Kammeroper Ulm, als Basssänger im Kammerchor der Weimarer Hochschule und als Dirigent des "Ensemble Querstand" sammelte er weitere Erfahrungen.
 2008 wurde Beste für sein Werk "Crave - Musiktheater-Performance für zwei, einen oder keinen Schauspieler und Tonband nach Sarah Kane" mit dem Kompositionspreis der Königlichen Musikalischen Akademie Stockholm ausgezeichnet, 2009 erhielt er den Kompositionspreis der schwedischen Verwertungsgesellschaft für Musikschaffende (STIM) für das Werk "Gier - Musiktheater-Szene für zwei weibliche und zwei männliche Vokalisten nach Sarah Kane".
 

Juan Cruz-Guevara
Juan Cruz-Guevara wurde in der spanischen Provinz Almeria geboren. Mit 15 begann er am Konservatorium Murcia seine Studien der Fächer Posaune, Klavier, Harmonik, Kontrapunkt und Komposition. Er rundete seine Ausbildung mit einem Aufenthalt an der Robert Schumann Hochschule in Düsseldorf ab.
Als Komponist gewann er Auszeichnungen und Preise, darunter bereits 1997 eine Auszeichnung beim Festival de Murcia für seine Komposition „Nike“ für Schlaginstrument. Im Jahr 1998 gewann er den 2. Preis in der SGAE junge Komponisten mit "Concerto für Saxophon und Ensemble", im gleichen Jahr auch den ersten Preis des Internationalen Festivals Murcia für sein Konzert für Marimba und Streichorchester", uraufgeführt von Schlagzeuger Claudio Cascales.
Sein Werkverzeichnis mehr als 50 Uraufführungen, darunter Solostücke, Werke für Kammermusik¬ensemble sowie Orchesterwerke. Seit 2003 ist der Komponist künstlerischer Leiter des Festivals „Unicaja y las Músicas del S. XX“ in Almeria, zurzeit unterrichtet er am Superior Conservatoire of Music in Granada.
 

Kairos Quartett
Das in Berlin ansässige Kairos Quartett widmet sich seit seiner Gründung 1996 vornehmlich der Musik des ausgehenden 20. und des 21. Jahrhunderts. Richtungsweisende Kompositionen nach 1950 und Uraufführungen stehen im Mittelpunkt; hierzu gehören die Traditionslinien europäischer Musik ebenso wie die anderer Kulturen (etwa Fernost) oder Kompositionen, die weitere Medien wie Elektronik, Video, Sprache oder Szene einsetzen. Die Sorgfalt in der Auswahl von Stücken und der Zusammenstellung von Programmen reicht beim Kairos Quartett bis hin zur Kuratorentätigkeit, z. B. bei seiner Gesprächs-Konzertreihe "Fünf Fenster auf Musik für Streichquartett seit 1950", die 2001/02 in der Kulturbrauerei Berlin mit einigen namhaften Komponisten (u. a. Ferneyhough, Lachenmann und Lucier) stattfand.
 Kommunikative Offenheit ist Programm: Es wird der enge Kontakt zu Komponisten entwickelt und gepflegt wie Georg Friedrich Haas (A), Julio Estrada (Mexiko), Giorgio Netti (I), Sergej Newski (D/RUS), Enno Poppe (D) und Liza Lim (Austr). Durch Workshops und Gesprächskonzerte pflegt das Quartett die Nähe zum Publikum und zu Musikstudierenden. Workshops und Seminare zur Neuen Musik und ihren Spieltechniken oder verwandten Themen präsentierte das Kairos Quartett bisher an Musikhochschulen und im Rahmen von Festivals in Deutschland, Mexiko, Österreich, Norwegen, Polen und der Schweiz.
 
Seine zahlreichen Auftritte führten das Kairos Quartett mehrfach zu den Internationalen Ferienkursen in Darmstadt, sowie zu renommierten Festivals wie den Berliner Festwochen, Cervantino, Eclat, Festival d'Automne, Huddersfield, Nordic Music Days, Salzburger Festspiele, Warschauer Herbst und Wien Modern. Neben dem deutschsprachigen Raum konzertierte das Kairos Quartett in Belgien, Dänemark, Frankreich, Finnland, Großbritannien, Italien, Mexiko, den Niederlanden, Norwegen, Polen, der Schweiz und in der Ukraine.
 
Mit dem Kairos Quartett erhielt 2001 erstmals ein Ensemble das Stipendium der Akademie Schloß Solitude (Stuttgart). Konzertreisen ins Ausland wurden mehrfach von der E. v. Siemens Stiftung finanziert. Die CDs des Kairos Quartetts wurden vielfach ausgezeichnet, u. a. mit dem Preis der Deutschen Schallplattenkritik. Zu den zahlreichen Partnern des Quartetts gehören Martina Gedeck, Dietrich Henschel, Mayumi Miyata, Valeri Scherstjanoi, Michael Lentz, boris d hegenbart, das Schlagquartett Köln, die Vokalsolisten des SWR, Heather O'Donnell und Matthias Bauer.

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