BACK TO THE FUTURE

Neue und alte Musik für Toy Piano

BACK TO THE FUTURE

Neue und alte Musik für Toy Piano
Mi, 11.03.2009, 19:30 Uhr

Essl Museum

Das Toy Piano ist ein Instrument mit noch junger Geschichte. Erfunden, um Kindern das Klavierspiel nahe zu bringen, wurde es erstmals von John Cage als Konzertinstrument verwendet; nicht zuletzt deshalb, weil sein Klang keine Assoziationen an das Klavier mit seiner langen Tradition hervorruft. 
Programm

Karlheinz Essl: Kalimba für Toy Piano und Playback
Fre [Francis Tregian?]: Heaven and Earth (Fitzwilliam Virginal Book)

Tom Johnson: Kleine Choräle für kleines Klavier

William Byrd: Wolseys Wilde (Fitzwilliam Virginal Book)

Matt Malsky: heterogeneous für Toy Piano und Live-Elektronik

William Byrd: La Volta (Fitzwilliam Virginal Book)

Karlheinz Essl: WebernSpielWerk für Toy Piano solo

Anonymus: Daunce (Fitzwilliam Virginal Book)

Errollyn Wallen: Louis's Loops für Toy Piano solo

Thomas Morley/William Byrd: La Volta (Fitzwilliam Virginal Book)

Karlheinz Essl: Sequitur V für Toy Piano und Live-Elektronik


Das Programm des heutigen Abends ist vom Saisonthema BACK AND FORTH inspiriert und wurde speziell dafür von der Pianistin Isabel Ettenauer zusammengestellt: Neue Werke für Spielzeugklavier (u.a. die erstmalige Gesamtaufführung von Karlheinz Essls Kompositionen für dieses Instrument) wechseln sich mit Renaissance-Stücken aus dem Fitzwilliam Viriginal Book ab.

Das Fitzwilliam Virginal Book ist die umfangreichste historische Sammlung von Cembalo-Musik des späten 16. und frühen 17. Jahrhunderts in England. Über die Entstehung herrscht Ungewissheit. Ende des 18. Jahrhunderts nahm man an, es handelte sich um Queen Elizabeth's Virginal Book. Dies wurde inzwischen widerlegt, da die musikbegeisterte Monarchin nicht über die technischen Fähigkeiten verfügt haben soll, um die anspruchsvollen Werke zu spielen, außerdem viele Werke erst nach ihrem Tod (1603) entstanden sind. Möglicherweise hat der englische Komponist Francis Tregian (c.1574-1619) die Werke gesammelt, da sein Name immer wieder im Buch vorkommt. Dass sich der verfolgte Katholik die Zeit während seiner zehnjährigen Inhaftierung im Fleet-Gefängnis mit dem Abschreiben der Noten vertrieb, hatte sich auch längere Zeit als Gerücht verbreitet. Seinen Namen erhielt das Fitzwilliam Virginal Book, nachdem es über den aus Deutschland stammenden englischen Komponisten Johann Pepusch in den Besitz des Kunstmäzens Richard FitzWilliam kam, der seine gesamte Bücher- und Kunstsammlung dem von ihm 1816 gestifteten Fitzwilliam Museum in Cambridge vermachte. Dort befindet sich auch heute noch das Fitzwilliam Virginal Book. Die Sammlung enthält an die 300 Werke von fast allen bedeutenden Komponisten der elisabethanischen Zeit, die für Tasteninstrumente geschrieben haben, so u.a. William Byrd (1543-1623), John Bull (1563-1628) und Giles Farnaby. William Byrd gilt als der bedeutendest Komponist seiner Zeit. Er schuf ein großes Werk von über 500 Komponisitionen, darunter v.a. Chormusik wie Motetten, Psalmen, Madrigale, Messen, aber auch viele Werke für Tasteninstrumente. Er war Organist der Chapel Royal in London und erhielt gemeinsam mit Thomas Tallis das Privileg des Monopols für Notendruck von Queen Elisabeth I. Zu seinen Schülern zählten u.a. Thomas Morley.

Die für diesen Abend ausgewählten Werke wurden so ausgesucht, dass sie mit dem Tonumfang des größten Toy Pianos (3 Oktaven) auskommen oder wurden mit minimalen Adaptionen speziell von Isabel Ettenauer dafür eingerichtet.


Karlheinz Essl: Kalimba (2005)

Für sein erstes Toy Piano-Werk verwendete Karlheinz Essl eine Playback-CD, um die Klangwelt des Toy Pianos zu bereichern. Die Känge der CD kommen wiederum vom Toy Piano selbst. Eines Tages besuchte ich Karlheinz in seinem Studio, wo er Aufnahmen von meinem Spiel eines bestimmten Materials machte (das ganze Werk basiert auf einer Achttonskala mit alternierenden Ganz- und Halbtonschritten). Diese Aufnahmen verarbeitete der Komponist später mit einem seiner selbst erfundenen Computer-Programme. Das Resultat ist ein unerwartet voller Klang. Die Uraufführung von Kalimba fand beim Komponistenforum Mittersill (A) am 15. September 2005 statt.

Karlheinz Essl (geb. 1960) studierte Musikwissenschaften und Kunstgeschichte an der Universität Wien sowie Komposition bei Friedrich Cerha und elektro-akustische Musik bei Dieter Kaufmann. Er arbeitet als Komponist, Medienkünstler, Elektronik-Performer, Musikkurator und Kompositionslehrer und hat ständige Auftritte als Live-Performer mit seinem selbstentwickelten computer-basierten Meta-Instrument m@ze°2. www.essl.at




Isabel Ettenauer performing Kalimba (2005)
Essl Museum, Klosterneuburg/Vienna, 11 Mar 2009



Tom Johnson: Kleine Choräle für kleines Klavier (2005), Auswahl

Nachdem ich einige seiner Klavierwerke sowohl am Klavier als auch am Toy Piano aufgeführt hatte, fragte ich Tom Johnson im Sommer 2005, ob er Lust hätte, einmal ein Originalwerk für Toy Piano zu komponieren. Kurz darauf schickte er mir eine Reihe rationaler Melodien mit einem Tonumfang von nur einer Oktav plus einer Quart. Die sieben Kleinen Choräle für kleines Klavier wurden zu einer Herausforderung, da auf den meinsten Toy Pianos die inneren Stimmen der Harmonien nicht leicht hörbar sind. In den letzten Jahren ist meine Toy Piano-Sammlung aber derart gewachsen (derzeit umfasst sie 26 Instrumente), dass inzwischen ein Instrument gefunden werden konnte, das dem Stück besonders entgegenkommt.

Tom Johnson wurde 1939 in Colorado geboren und studierte an der Yale University sowie privat mit Morton Feldman. Nach 15 Jahren in New York übersiedelte er nach Paris, wo er seit 1983 lebt. Er wird als Minimal-Komponist angesehen, da er mit einfachen Formen, limitierten Skalen und im allgemeinen mit reduziertem Material arbeitet, doch seine Herangehensweise ist viel logischer, als die der meisten Minimalisten, da er Formeln, Permutationen und vorhersehbare Sequenzen benützt. tom.johnson.org

Matt Malsky: heterogeneous (2007)

Heterogeneous ist ein Perpetuum mobile. Der Komponist schrieb das Stück nach einer längeren Auseinanderwetzung mit Bachs Cello-Suiten, die als Inspiration dienten. Es gibt zusammengesetzte Melodien und wenige Bezeichnungen, was Dynamik oder Artikulation betrifft. Malsky überlässt die Phrasierung dem Interpreten, wobei die Elektronik bestimmte Aufführungspraktiken impliziert.

Matt Malskys (geb. 1961) kompositorischer Stil wird von seiner rhythmischen Vitalität, dramatisch gestaltetet Gesten, melodischer Kantigkeit und Ironie charakterisiert. Malsky ist Kompositionslehrer an der Clark University (Worcester, MA), wo er auch Direkt des Computer Music Studio ist. Außerdem ist er Co-Direktor des Extensible Toy Piano Projects, das neue elektroakustische Werke, die das Toy Piano als Ausgangspunkt nehmen, anregt.

Karlheinz Essl: WebernSpielWerk (2005)

Am 15. September 1945 wurde Anton Webern in Mittersill, wohin er sich vor der herannahenden Roten Armee geflüchtet hatte, von einem amerikanischen Besatzungssoldaten in vermeintlicher Notwehr erschossen. Damit endete das Leben eines der einflussreichsten Komponisten der Moderne auf unfassbare und tragische Weise.
    60 Jahre später - am 15. September 2005 - fanden im Rahmen des 10. Komponistenforums Mittersill zwei Gedenkveranstaltungen für Anton Webern statt: für eine Aktion im öffentlichen Raum hat Karlheinz Essl eine algorithmische Klanginstallation - das WebernUhrWerk für computer-gesteuertes Carillon - geschaffen; für das anschließende Gedenkkonzert in der St. Annakirche schrieb er das WebernSpielWerk für Toy Piano, das eine Art Projektion der Carillonmusik auf ein Spielzeugklavier darstellt. Der durchdringende Charakter des Carillons, der am Nachmittag den ganzen Ort erfüllt hat, wird reduziert auf die "arme" Klangwelt eines Spielzeugklaviers, dessen durch angeschlagene Metallstäbe erzeugter Klang dem einer Glocke ähnelt - jedoch viel zurückhaltener und intimer ist.
    Das WebernSpielWerk entstand in den letzten Augusttagen des Jahres 2005 und ist Isabel Ettenauer gewidmet, die dieses Werk am 15. September 2005 zur Uraufführung gebracht hat.


Errollyn Wallen: Louis Loops (1999)

Der Klang des Toy Pianos erinnerte Errollyn Wallen in gewisser Weise an das Cembalo. Sie beschloss eine ihrer alten Lieben - die französische Clavecin-Schule - aufzufrischen, in diesem Falle besonders diese zu Louis Couperin (1626-1661). In Louis' Loops sind Bruchstücke aus drei Tanzsätzen von Couperin eingebaut - Courante, Sarabande en Canon und Canaries. Die Komponistin wollte ein Stück schreiben, das Virtuosität und Verspieltheit vereinte, so kommen auch immer wieder Kinderliedfragmente vor. Das Werk wurde für Margaret Leng Tan komponiert und ist Errollyn Wallens Neffen Louis Wallen gewidmet.

Errollyn Wallen wurde 1958 in Belize geboren und lebt heute in London. Sie hat eine große Bandbreite an Kompositionen geschrieben: Orchestermusik, Elektronik, Kammermusik, Ballett, Oper, Theater und Gesang. Ihre Musik wurde bereits in Konzertsälen, Nachtclubs, Kirchen, Lagerhäusern, Pubs, Theatern, Kraftwerken, im Radio und im Fernsehen gespielt. www.errollynwallen.com


Karlheinz Essl: Sequitur V (2008)

Am Abend der Uraufführung von Sequitur V - am 20. Juni 2008 in der Alten Schmiede in Wien - gab Karlheinz Essl folgende Erklärung zu seinem neuen Werk ab: "Der Höhepunkt des heutigen Abends ist die Uraufführung von Sequitur V, gespielt auf dem kleinsten und groteskesten Instrument, das man sich vorstellen kann, einem Klavier, das offensichtlich im Wollwaschgang eingegangen ist und deswegen etwas komisch klingt. Es handelt sich um ein sogenanntes Spielzeugklavier, ein Instrument, das ursprünglich für Kinder gedacht ist. [...] Isabel fährt mit ihren Spielzeugklavieren um die Welt. Vor einiger Zeit hat sie sich an mich gewandt mit der Frage, ob ich nicht ein Stück für Toy Piano mit Elektronik schreiben könnte - und zwar eines, das sie ganz allein selber spielen kann. Dies war einer der Startzünder für das Sequitur-Projekt.
    Bei Sequitur handelt es sich um eine Serie von Stücken, in denen instrumenten-spezifische Möglichkeiten ausgelotet und in Echtzeit mit live-elektronischen Klangprozessen konfrontiert werden. Der Titel (aus dem Lateinischen übersetzt: „es folgt“) spielt einerseits auf die berühmten „Sequenze“ von Luciano Berio an; andererseits bezieht er sich auf das strukturelle Gestaltungsprinzip der Elektronik, die aus dem instrumentalen Live-Input einen 8-stimmigen Proportionskanon generiert, der gleichermaßen als Begleitung und Nachhall des gerade Gespielten wirkt. Darin spiegelt sich die Solistin vielfach wieder und tritt mit sich selbst in einen vielstimmigen Dialog."





Isabel Ettenauer performing Sequitur V (2008)
Essl Museum, Klosterneuburg/Vienna, 11 Mar 2009


ISABEL ETTENAUER

Pressemeldungen nennen sie herausragend, ungewöhnlich, spektakulär, beeindruckend: Isabel Ettenauer ist eine junge Musikerin mit ungewöhnlichem Künstlerprofil. Sowohl als Pianistin als auch als führende Toy Piano-Virtuosin gewinnt sie die Herzen ihres weltweiten Publikums. Isabel Ettenauer ist ein regelmäßiger Gast bei internationalen Festivals und ist in Konzertsälen in ganz Europa und den USA zu hören. Höhepunkte der letzten Saisonen waren u.a. Auftritte in der Wigmore Hall (London), im Konzerthaus (Wien), beim Avignon Festival, an der Opéra de Lille (beide Frankreich), beim Uovo Performing Arts Festival (Mailand), beim Ravello Festival (Italien), beim Making New Waves Festival (Budapest), beim SonoAus Festival (Madrid), beim Inspiracje Festival Szczecin (Polen), am Rialto Theater Limassol und im Castelliotissa Nicosia (Zypern), sowie Konzerte in New York und Washington. Ihr Londoner Toy Piano-Debut bei der BMIC Cutting Edge Series wurde von mehreren britischen Zeitungen als "Pick of the Week" ausgewählt.

Ihre einzigartigen Konzerte haben viele KomponistInnen auf der ganzen Welt angeregt, neue Werke speziell für sie zu schreiben. Für Isabels Projekt THE JOY OF TOY sind inzwischen mehr als 30 neue Stücke entstanden. Im Juni 2006 wurde Isabel Ettenauers Debut-Album THE JOY OF TOY (mit neun Kompositionen, die für Isabel geschrieben wurden) mit dem Pasticciopreis von Radio Österreich 1 ausgezeichnet.

In diesem Jahr gibt es 16 Aufführungen ihres brandneuen Programms CIRCUS LEBASI bei Linz09, der Kulturhauptstadt Europas, für das zahlrieiche Komponisten neue Werke komponieren, darunter Karlheinz Essl, Max Nagl und Matthew Hindson. Isabel Ettenauer wurde 1972 in St. Pölten geboren. Klavierstudien führten sie nach Wien, London und in die Schweiz.

www.isabelettenauer.com

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