TOUR DE SAX

Neue Musik für Saxophone und Live-Elektronik

TOUR DE SAX

Neue Musik für Saxophone und Live-Elektronik
Sa, 29.04.2006, 19:30 Uhr

Das Schömer-Haus

Das Wiener Saxophon-Quartett hat sich seit seiner Gründung im Jahr 1987 im In- und Ausland einen hervorragenden Ruf für die Interpretation neuer Musik geschaffen. Bis heute wurden über 70 Werke für dieses Ensemble geschrieben und von ihm uraufgeführt.
Das Saxophon ist ein recht junges Instrument: 1840/41 von dem Belgier Adolphe Sax erfunden und sogar patentiert (!), fand es zunächst in der Militär- und Marschmusik Verwendung, ehe sich nach und nach auch „klassische“ Komponisten (Berlioz, Debussy) dafür zu interessieren begannen. Sein wahrer Siegeszug aber verdankt sich der Entwicklung des Jazz und wurde dort – Dank exzellenter Musiker wie Charlie Parker und John Coltrane – zurm Symbol für Freiheit, Erotik, Aufmüpfigkeit und Sentimentalität; Klischees, die vor allem von der Werbung bis heute bedient werden.

In den 1930er Jahren gründete Sigurd Raschér sein gleichnamiges Saxophon-Quartett, für das eine Unzahl zeitgenössischer Werke komponiert wurden: In Anlehnung an das klassische Streichquartett schuf er ein homogenes Bläserensemble, dessen vier Instrumente (Sopran, Alt, Tenor und Bariton) sich klanglich hervorragend mischen, aber auch ihre eigenständigen Charaktere ausspielen können.

Der heutige Abend bietet Ihnen eine abwechslungsreiche Reise durch die Klangwelt des Saxophons, in dessen Mittelpunkt das meisterlich gearbeitete Saxophon-Quartett von Friedrich Cerhas steht, der heuer seinen 80. Geburtstag feiert. Die Erweiterung des Klanges ist Anliegen des Schweizer Komponisten Gary Berger, der dies durch subtilen Einsatz von Live-Elektronik und Verstärkung erzielt. In meinem vor wenigen Tagen im Linzer Brucknerhaus uraufgeführten Werk kommt ebenfalls die Elektronik zum Einsatz, welche die live aufgenommenenKlänge des Ensembles virtuos im Raum verwirbelt. Tiefgründig und expressiv die Duo-Sonate von Sofia Gubaidulina, im Spannungsfeld zwischen Tradition und unge- hemmtem Ausdrucksbedürfnis. Und zuletzt entführt uns der Franzose Ernest H. Papier in die bizarre Welt exterritorialer Klänge, die nur ein Saxophonvirtuose selbst so komponieren konnte.

Ich freue mich, dass das Wiener Saxophon-Quartett heute erstmals zu Gast im SCHÖMER-HAUS ist und wünsche Ihnen spannende und eindrückliche Hörerlebnisse.

Dr. Karlheinz Essl
Musikintendant der „Sammlung Essl – Kunst der Gegenwart”


PROGRAMM

Gary Berger (* 1967): bitmap (2001)
für 2 Alt-Saxophone, 2 Bariton-Saxophone und Live-Elektronik

Friedrich Cerha (* 1926): Saxophon-Quartett (1995)
für Saxophon-Quartett – fünfsätzig
Auftragswerk des Wiener Saxophon-Quartettes

Karlheinz Essl (* 1960): colorado (2005/2006)
für Saxophon-Quartett und Live-Elektronik Auftragswerk des Wiener Saxophon-Quartettes

Sofia Gubaidulina(* 1931): Duo-Sonate (1977/1994) Fassung für 2 Bariton-Saxophone

Ernest H. Papier (* 1964): Axe à quatre (1991-93)
für 2 Sopran-Saxophone und 2 Tenor-Saxophone


AUSFÜHRENDE

Wiener Saxophon-Quartett

Lars Mlekuch: Sopran-Saxophon
Michaela Reingruber: Alt-Saxophon
Thomas Schön: Tenor-Saxophon
Sabine Zwick: Bariton-Saxophon

Karlheinz Essl: Live-Elektronik


WERKKOMMENTARE


Gary Berger: bitmap (2001)

„bitmap” für zwei Alt- und zwei Baritonsaxophone bezeichnet eine Rastergraphik, bei der je nach Auf- lösung die einzelnen Pixel der Bildrastrierung erkennbar werden. Wie mit einem Zoom kann man das Bild aus der Ferne betrachten, wobei das Ganze wahrnehmbar wird, kann man aber auch so nah heran gehen, bis das Abgebildete in den nun riesigen Pixeln verschwindet. Diese Aufgabe übernimmt akustisch die Live-Elektronik. Sie bläht den Innenklang der vier Saxophone nun allerdings nicht übermässig auf, sondern horcht in einem kammermusikalischen Sinn in die Strukturen hinein, nimmt da ein Flimmern grösser wahr, dort Fluktuationen eines Trillers und geht schliesslich wieder auf Distanz. Neue Texturen werden so möglich, Delays schaffen räumlich-zeitliche Veränderung. Gekörnte Musik gleichsam entsteht, diese freilich sehr agil und abwechslungsreich, knapp und klar gefasst. (Thomas Meyer).

„Die Verschränkung des instrumentalen und elektronischen Komponierens in meiner Arbeit hat in den vergangenen Jahren mehr und mehr an Bedeutung gewonnen, die Elektronik als Mittel der Erweiterung und Verschmelzung von widersprüchlichen Klangquellen bleibt dabei aber ein wesentlicher Aspekt.

In vielen meiner Werke geht es mir nicht primär um einen Dialog zwischen elektronischen Klängen und Instrumentalklängen, sondern darum, eine Fusion, einen Hyperklang oder auch ein Hyper- instrument zu gestalten.
Abrupte Schnitte, Überlagerungen, rasch aufeinander folgende Kontraste, teilweise ins Nichts führende Gesten und Montagen heterogener Materialien, zwischen dem Verbinden und Zerstückeln, zwischen Fortsetzung und Stillstand – ein also konstantes In-Fragestellen, Widerstand und Reaktion, Kontinuität und Bruch – sind Hauptbegriffsfelder, um meine Arbeit im allgemeinen zu beschreiben.

Durch dieses ‚Hin- und Herschalten’ verschiedener Zustände und Zeiteinheiten der Prozesse, ver- suche ich Raum zu schaffen für Unvorhersehbares, den Klang als eine in die Zeit projizierte und physi- kalische Komponente in seiner Körperlichkeit spürbar werden zu lassen und Spannungsfelder zu erzeugen – versuche ich, die Grenze zwischen dem ‚Realraum’ und unserem inneren ‚Empfindungsraum’, die Trennwand zwischen der Innerlichkeit und dem ‚Aussenraum’ reissen zu lassen.“ (Gary Berger)


Friedrich Cerha: Saxophon-Quartett (1995)

Ich liebe das Saxophon und habe es immer wieder - teilweise auch solistisch - im Orchester verwendet. Dagegen habe ich oft den Klang des Saxophonquartetts als schal, abgestanden und etwas fade empfunden. Deshalb blieb der langgehegte Plan, ein Saxophonquartett zu schreiben - vom Wiener Saxophon-Quartett wiederholt reklamiert - immer wieder liegen. Erst 1995 kam er zur Ausführung. Dem von mir empfundenen klanglichen Mangel versuchte ich zum einen durch stark kontrastierende, oft schroff nebeneinandergestellte musikalische Gestik gegenzusteuern, zum anderen durch eine von Satz zu Satz wechselnde Zusammensetzung der Saxophone.

Der schnelle erste Satz hat die übliche Besetzung Sopran-, Alt-, Tenor- und Baritonsaxophon. Er ist geprägt durch eine heftig zupackende, einstimmig beginnende Bewegung und einer, in der drei Instrumente in kurzen Quintolenvierteln gegen die Triolen des vierten Instrumentes gesetzt sind. In der Mitte steht im Tenorsaxophon eine sich wiederholende melodische Linie, die durch afrikanische Modelle angeregt wurde.

Im zweiten Satz wechseln akzentuierte rasche Figuren bei sehr langsamem Grundtempo mit sehr raschen Teilen mit stark synkopierender Bewegung. Dazwischen zweimal ein eigenartiger Forte-Choral in langsamem Tempo.

Der dritte, ein in raschem Tempo hauptsächlich im Pianissimo gespenstisch vorüberhuschender Satz ist ganz auf die hohe und mittlere Lage der Saxophone abgestellt. Die Besetzung: Sopran- und drei Altsaxophone.

Der langsame vierte Satz benützt die dunkle mittlere und tiefe Lage der Instrumente (ATTB). Weit ausgesponnene meditative Linien werden kontrapunktiert - ich möchte fast sagen durchbohrt - von heftigen, äußerst kurzen Sechzehnteln, die am Schluß im pizzicato-pianissimo verebben.

Der fünfte Satz - wieder wie der erste in der Besetzung SATB - wird einerseits bestimmt durch eine auffahrende melodische Floskel, die sich in verschiedenartig artikulierter Bewegung vorwiegend in Sechzehnteln fortsetzt, und andererseits durch eine prägnante signalartige Phrase.

Beides kehrt, stark variiert, am Schluß wieder. In der Mitte gibt es eine ruhige Oase, in der lange, allmählich bedrohlich stärker werdende, „tote” Akkorde von Alt-, Tenor- und Baritonsaxophon raschen, gleichsam verlegenen Figuren des Sopransaxophons gegenüberstehen.

Das Stück ist dem Wiener Saxophon-Quartett, das den Auftrag erteilt hat, zugeeignet. (Friedrich Cerha)


Karlheinz Essl: colorado (2005/2006)

Auf einer Länge von 2300 km fließt ein gewaltiger Strom durch die Vereinigten Staaten: der Colorado River. Er entspringt im Gebirge der Rocky Mountains, durchzieht weite Wüstengebiete und das gigantische Schluchtensystem des Grand Canyons, um schließlich im Norden von Mexiko in den Pazifik zu münden. Auf seiner langen Reise vom Ursprung bis zur Mündung ist der Fluss mannigfachen Veränderungen unterworfen: er nimmt unzählige kleinere und größere Wasserläufe in sich auf und ändert - je nach geologischer Beschaffenheit der Landschaft - immer wieder seine Farbe: Sattes Blau, schillernde Türkistöne, trübes Braun. - „Colorado“ ist aber nicht nur der Name eines Flusses und eines amerikanischen Bundesstaates, sondern bedeutet auf Spanisch auch „gefärbt”.

Auf einer USA-Reise im Jahr 2005 war dieser Fluss für einige Tage unser Wegbegleiter und hat mich von Anbeginn in den Bann gezogen. Sein unbeirrtes Weiterströmen, seine chamäleonartige Farbigkeit und sein ungeheure Kraft (von dem das Grand Canyon ein berührendes Zeugnis ablegt) erschienen mir als naturgewordene Metapher für eine Komposition, die zu jener Zeit in meinem Kopf herankeimte: ein Werk für Saxophonquartett und Live-Elektronik, dem ich den Namen „colorado” gab.

Bei der Aufführung des Werkes sitzen die vier Musiker des Quartetts in der Mitte des Saales; vier Laut- sprechern umgeben das Publikum. Die Instrumente (Sopran-, Alt-, Tenor- und Baritonsaxophon) werden von Mikrophonen abgenommen, in Echtzeit von einem interaktiv gesteuerten Computerprogramm verarbeitet und über die Lautsprecher ins Auditorium abgestrahlt, das wiederum als Resonanzkörper und Hallraum fungiert.

Die Live-Elektronik basiert auf einer Art „Teilchenbeschleuniger”, der die live eingespielten Klangpartikel der Saxophonisten durch vielfältige Manipulationen im Zeit- und Spektralbereich komplex miteinander überlagert und über ein quadrophones Klangverteilungssystem im Raum verwirbelt. Die Parameter dieses „Teilchenbeschleunigers” werden von einem fünften Musiker - im Idealfall dem Komponisten selbst - während der Aufführung kontrolliert.

Der formale Prozess des Stückes reflektiert den oben beschriebenen Flussverlauf: aus rudimentären Hauch- und Atemgeräuschen (die durch die Resonanzen von Mundhöhle und Instrument gefiltert werden) bilden sich allmählich prägnantere Gestalten, die unaufhörlich zu einem massiven Klangstrom an- schwellen, der immer wieder aufgerissen, gestaut und entladen wird. Die anfänglichen geräuschhaften Klänge werden durch Hinzunahme von Multiphonics und konkreten Tonhöhen immer mehr eingefärbt und lösen sich schließlich in bunt-bewegte Klangschlirren auf, die pulsierend im Raum verklingen. (Karlheinz Essl)


Sofia Gubaidulina: Duo-Sonate (1977/1994)

Im Jahre 1994 hat die Komponistin ihre Duo-Sonate für 2 Fagotte selbst für 2 Bariton-Saxophone umarrangiert. Dieses packendes und expressive Stück ist charakteristisch für Gubaidulinas Ästhetik und ihre oftmals spirituelle Musik. Mithilfe von Mikrotonalität, Vierteltönen, Glissandi und Mehrklängen werden verschwommene Strukturen gebildet, mit komplexen Akkorden und gesanglichen Passagen. Mit nur zwei Blasinstrumenten erzielt Gubaidulina einen Grad von Expressivität und textureller Komplexität, den man normalerweise von einem viel größeren Ensemble erwarten würde.

„Als Ideal betrachte ich ein solches Verhältnis zur Tradition und zu neuen Kompositionsmitteln, bei dem der Künstler alle Mittel – sowohl neue als auch traditionelle – beherrscht, aber so, als schenke er weder den einen noch den anderen Beachtung. Es gibt Komponisten, die ihre Werke sehr bewusst bauen, ich zähle mich dagegen zu denen, die ihre Werke eher ‘züchten’. Und darum bildet die gesamte von mir aufgenommene Welt gleichsam die Wurzeln eines Baumes und das daraus gewachsene Werk seine Zweige und Blätter. Man kann sie zwar als neu bezeichnen, aber es sind eben dennoch Blätter, und unter diesem Gesichtspunkt sind sie immer traditionell, alt. Den größten Einfluss auf meine Arbeit hatten Dimitri Schostakowitsch und Anton Webern. Obwohl dieser Einfluss in meiner Musik scheinbar keine Spuren hinterlassen hat, ist es doch so, dass mich diese beiden Komponisten das Wichtigste gelehrt haben: ich selbst zu sein.” (Sofia Gubaidulina)


Ernest H. Papier: Axe à quatre (1991-93)

Zu seinem Werk schrieb uns der Komponist folgendes Gedicht (Übersetzung: Christine Klinger):

Figure de concert pour double couple en sax

C'est une étude focale, obsessionnelle sans doute,
une sorte de micro-contrepoint rhythmique et spatial,
gravitant au centre et autour d'un si bémol polaire,
note fondamentale (écrite ou jouée) du tube des saxophones tous trous bouchées celle aussi du diapason de certains d'entre eux
(en l'occurrence les sopranos et ténors),
autrement dit de leur accord mutuel et tempérable.
Tout cela sonne donc de fait un ton plus bas
that is to say „as“ in german

Illustration eines Konzertes für zwei Saxophonpaare

Eine fokale Etüde, zwanghaft ohne Zweifel ,
eine Art rhythmisch-räumlicher Mikro-Kontrapunkt,
im Zentrum kreisend und umgeben von einem polaren B
als Grundton (geschrieben oder gespielt) von Saxophonröhren, die allesamt gestopfte Löcher sind;
auch jener Kammerton A
(in diesem Fall zwischen Sopran und Tenor),
mit anderen Worten – ein gegenseitig angenäherter Zusammenklang. Und all das klingt nun tatsächlich einen Ton tiefer Sozusagen in As.



BIOGRAPHIEN


Gary Berger

Geboren 1967. Schlagzeugstudium an der Musikhochschule Zürich. Ausbildung in Elektroakustischer Musik am Schweizerischen Zentrum für Computermusik sowie bei Curtis Roads am UPIC (Unité Poly- agogique Informatique du CEMAMU) in Paris. Anschliessend praktische Arbeiten am IRCAM in Paris. Spezialisierung auf zeitgenössische Musik und die Interpretation Live-Elektronischer Aufführungen.

Kompositionsstudium bei Julio Estrada in Paris, sowie bei Gerald Bennett und Daniel Glaus an der Hochschule Musik und Theater Zürich (2002, Kompositionsdiplom der HMT Zürich).Kompositions- kurse und Seminare bei Iannis Xenakis, Michael Jarrell, Salvatore Sciarrino, Chaya Czernowin, Luca Francesconi und Manuel Hidalgo. 1998/1999 Arbeitsstipendium des FST – Föreningen svenska tonsättares, Stockholm. 1999/2001 Preisträger des CIMESP (Concurso Internacional de Música Eletroacústica de São Paulo), Brasilien.

Künstlerischer Leiter der Konzertreihe musica moderna in Wädenswil. Gründer und Mitglied des elektroakustischen Ensembles NOTSTROM. Lebt als freischaffender Komponist in Zürich. Gary Berger ist seit 2001 Dozent für Live-Elektronik an der Hochschule Musik und Theater Zürich. Gastvorlesungen über elektroakustische Musik an der Musikhochschule Franz Liszt in Weimar, an der Musikhochschule Luzern und an der Hochschule für Gestaltung und Kunst Zürich. 2006 ist Gary Berger Composer-in- Residence beim Institut International de Musique Electroacoustique de Bourges (IMEB), Frankreich


Friedrich Cerha

Geboren am 1926 in Wien. 1943 Einberufung zur Wehrmacht; in Dänemark Kontakt zur Widerstands- bewegung. Nach Kriegsende als Bergführer in Tirol tätig. 1946-53 Studien an der Akademie für Musik und darstellende Kunst in Wien (Komposition bei Alfred Uhl, Violine bei Vasa Prihoda, Musikerziehung) und an der Universität Wien (Philosophie, Musikwissenschaft, Germanistik). Promotion zum Dr. phil.

Ab 1950 Konzertgeiger und Musikerzieher an Wiener Mittelschulen. 1956-58 Teilnahme an den Darmstädter Ferienkursen (Rudolf Kolisch, Eduard Steuermann). 1956/57 Rom-Stipendium. 1958 gemeinsam mit Kurt Schwertsik Gründung des Ensembles für neue Musik „die reihe“, deren Leitung er bis 1983 innehatte.

Zunächst Lehrbeauftragter, dann Professor an der Hochschule für Musik und darstellende Kunst in Wien (Komposition, Notation, Interpretation neuer Musik). Internationale Tätigkeit als Dirigent (Ensemble, Orchester, Oper). 1986 Großer Österreichischer Staatspreis.

Spiegeln die Werke der unmittelbaren Nachkriegsjahre zunächst die Beschäftigung mit dem Neoklassizismus, so zeigt Cerhas Schaffen in den 50er-Jahren Reaktionen auf die Musik der „2. Wiener Schule“ und eine kritische Auseinandersetzung mit seriellen Techniken. Um 1960 war er einer der ersten Komponisten, die sich eine von traditionellen Formulierungen ganz freie Klangwelt geschaffen haben. Seither schließt seine unverwechselbar eigene Tonsprache wieder stärker auch Elemente aus verschiedenen Traditionen und aus außereuropäischen Modellen (Polyrhythmik, Polymetrik) ein. Insbesondere die Werke der späteren Jahre verschmelzen viele dieser Erfahrungen organisch miteinander und wirken so als überzeugend geschlossene Synthese.


Karlheinz Essl

Geboren 1960 in Wien.1981-87 Studium an der Wiener Musikhochschule: Komposition (Friedrich Cerha), Elektro-akustische Musik (Dieter Kaufmann), Kontrabass (Heinrich Schneikart). 1979-89 Studium an der Universität Wien: Musikwissenschaft und Kunstgeschichte. 1989 Promotion mit einer Dissertation über „Das Synthese-Denken bei Anton Webern“.

Auseinandersetzung mit mittelalterlicher Musik und deren Aufführungspraxis. Untersuchungen zur Formalisierbarkeit musikalischer Prozesse führen zur Entwicklung von Software-Environments für Algorithmische Komposition. Unterrichtet seit 1994 „Computer Aided Composition“ an der Anton Bruckner Privatuniversität Linz. Musikintendant der Sammlung Essl in Klosterneuburg.

1990-94 composer-in-residence bei den Darmstädter Ferienkursen für Neue Musik. 1992/93 Performance-Projekt „Partikel-Bewegungen“ mit Harald Naegeli, dem Sprayer von Zürich. 1992/93 Realisierung eines Kompositionsauftrags des IRCAM in Paris. 1997 Komponistenportrait bei den Salzburger Festspielen. 2003 artist-in-residence des Festivals musik aktuell . 2004 Würdigungspreis des Landes Niederösterreich für Musik.

Neben Instrumentalwerken und Kompositionen mit Live-Elektronik auch Realtime-Kompositionen, Improvisationskonzepte, Klanginstallationen, ortsbezogene Musik- und Raum-Performances sowie Internet-Projekte. Ständige Auftritte als Live-Performer mit seinem selbstentwickelten computer-basierten Meta-Instrument m@ze°2.


Sofia Gubaidulina

1931 in Tschistopol (Tatarische Republik) geboren. 1945 beendete sie ihre Ausbildung am Konser- vatorium von Kasan in den Fächern Klavier (bei Grigori Kogan) und Komposition, dann bis 1959 Kompositionsstudium bei Nikolai Pejko am Moskauer Konservatorium. Seit 1963 freischaffende Komponistin. 1975 Gründung der Gruppe „Astraea”, in der man auf seltenen russischen, kaukasischen sowie mittel- und ostasiatischen Volks- und Ritualinstrumenten improvisierte. Sie zählt zu den führenden Vertreterinnen der Neuen Musik, viele CD-Einspielungen, Aufträge namhafter Institutionen, u.a. BBC, Berliner Festwochen, Library of Congress, NHK, The New York Philharmonic. Lebt seit 1992 in der Nähe von Hamburg. Mitglied der Akademie der Künste in Berlin, der Freien Akademie der Künste in Hamburg sowie der Königlichen Kunstakademie Stockholm. 1999 Aufnahme in den Orden „Pour le mérite”. Unzählige Preise, u.a. Internationaler Kompositionswettbewerb Rom (1974), Prix de Monaco (1987), Russischer Staatspreis (1992), japanischer Kaiserpreis Praemium Imperale (1998), Goethe- Medaille der Stadt Weimar (2001), Cannes Classical Award: Living Composer 2003. Einige ihrer Partituren zeugen von ihrer Beschäftigung mit mystischem Gedankengut und christlicher Symbolik. Ihr literarisches Interesse ist sehr vielfältig, sie vertonte altägyptische und persische Dichter, aber auch Lyrik des 20. Jahrhunderts.


Ernest H. Papier

Geboren 1964 in Bordeaux, Musikstudium in Straßburg. Teilnahme an den „Ferienkursen für Neue Musik“ in Darmstadt (1988-94). Saxophon-Solist beim Klangforum Wien (1995-98), spielt regelmäßig mit verschiedenen Ensembles für zeitgenössische Musik in Paris wie 2e2m und Itinéraire. Papier ist im klassischen und zeitgenössischen Repertoire gleichermaßen zu Hause wie in der Improvisation. Konzerte in Europa, Russland, Zentralasien, Indonesien... Seit 1999 Professur für klassiches Saxophon am Konservatorium Lausanne.


Wiener Saxophon-Quartett

Das Wiener Saxophon-Quartett hat sich seit seiner Gründung im Jahr 1987 im In- und Ausland einen hervorragenden Ruf für die Interpretation neuer Musik geschaffen. Bis heute wurden über 70 Werke großteils österreichischer Komponisten für dieses Ensemble geschrieben und von ihm uraufgeführt. Internationale Tourneen führten das Wiener Saxophon-Quartett durch Europa (Frankreich, Italien, Norwegen, Litauen, Irland, England, Bulgarien, Polen), Afrika (Südafrika, Ägypten) und die USA (New York, Washington, Chicago, Minneapolis, Baltimore). Das Wiener Saxophon-Quartett war eines der ersten westlichen Ensembles, welches in Albanien nach der politischen Öffnung konzertierte.

Das Wiener Saxophon-Quartett widmete sich von Anfang an besonders der zeitgenössischen Musik. Schon im ersten Jahr des Bestehens konnten zahlreiche österreichische Komponisten dafür gewonnen werden, ein Stück für diese damals noch nicht so populäre Besetzung zu schreiben. Dadurch gelang es dem Ensemble, ein umfangreiches österreichisches Repertoire für Saxophonquartett zu schaffen. Seither arbeitet das Wiener Saxophon-Quartett ständig daran, sowohl mit den namhaftesten Komponisten als auch mit vielversprechenden jungen Talenten zu kooperieren. Aus dieser Zusammenarbeit entstanden schon viele Werke, die sicher einen wichtigen Platz in der Standardliteratur für Saxophonquartett einnehmen werden, wie zum Beispiel das Saxophonquartett von Friedrich Cerha oder - in engem Kontakt mit dem Komponisten entstanden - ein Arrangement des „New York Counterpoint“ von Steve Reich.

In seiner bisherigen Laufbahn hatte das Wiener Saxophon-Quartett schon oft Gelegenheit, bei namhaften Festivals wie Wien Modern, Hörgänge, Carinthischer Sommer, Kilkenny Arts Week (Irland), New Music dePaul (Chicago) und in großartigen Konzertsälen aufzutreten, wie dem Wiener Musikverein und dem Konzerthaus, der Warschauer Philharmonie, der Merkin Hall in New York u.v.a.m. 1995 schuf sich das Wiener Saxophonquartett ein zweites Standbein in den Vereinigten Staaten, um dem Ensemble noch bessere internationale Kontakte zu ermöglichen. Dank der Unterstützungen durch die österreichische Bundesregierung, der Kultursektion des Außenamtes sowie der österreichischen Kulturinstitute und Subventionen durch die austro-mechana ist es dem Quartett möglich, seine Arbeit auf höchstem künstlerischen Niveau weiter zu führen.
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