PUBLIC ATTACK

Raumbezogene Posaunen-Performance

PUBLIC ATTACK

Raumbezogene Posaunen-Performance
So, 10.09.2000, 16:00 Uhr

Essl Museum

Musikalische Aktionen zwischen Performance, Konzert und Installation: drei herumstreifenden Posaunisten und ein stationärer Elektroniker perforieren den sonntäglichen Ausstellungsbetrieb.
Musikalische Aktionen zwischen Performance, Konzert und Installation: drei herumstreifenden Posaunisten und ein stationärer Elektroniker perforieren den sonntäglichen Ausstellungsbetrieb.

Mike Svoboda (USA/D): trombone
Bertl Mütter (A): trombone
Werner Puntigam (A): trombone
Karlheinz Essl (A): electronics


Kritik

"In diesen Räumen steckt noch viel Musik!" sagte Bertl Mütter anerkennend nach seiner gemeinsamen Performance mit Michael Svoboda, Werner Puntigam und Karlheinz Essl in der Sammlung Essl in Klosterneuburg. Und bringt es damit auf den Punkt, was auch wir als Zuschauer empfunden haben: Die Sammlung Essl ist nicht nur architektonisches Erlebnis, nicht nur fantastischer Raum für moderne bildende Kunst, sie ist auch ein idealer Ort für Musik. Weil die Akustik phantastisch ist, weil das Ambiente danach verlangt, dem Augengenuss auch ein Pendant für die Ohren zur Verfügung zu stellen.

Dem wird - unter anderem - seit Anfang des Jahres mit der Reihe react_chain_ bereits Rechnung getragen. Dies ist der Titel einer Reihe experimenteller Musikevents, die vom Komponisten Karlheinz Essl eigens eigens für das neue Ausstellungshaus der Sammlung Essl konzipiert werden. Im Mittelpunkt steht hier das musikalische Experiment und der spielerische Umgang mit Raum und Klang im Vordergrund. Zentrale Bedeutung kommt hier dem Musikertypus des "Composer/Performers" zu, der nicht allein Partituren verfertigt, sondern selbst als ausführender Musiker in Erscheinung tritt. Improvisationskonzepte, Performances, Installationen und alle Formen des spontanen und intuitiven Musizierens sind hier ebenso gefragt wie der Einsatz von Live-Elektronik und die Grenzüberschreitung zwischen den Genres. An Stelle reproduzierbarer Programme tritt das bedingungslose Einlassen auf die räumlich/akustische Situation und die Magie des Augenblicks.

PUBLIC ATTACK ist die neunte Veranstaltung der Reihe im neunten Monat dieses Jahres. Im Programm heißt es: "Musikalische Aktionen zwischen Performance, Konzert und Installation: drei herumstreifenden Posaunisten und ein stationärer Elektroniker perforieren den sonntäglichen Ausstellungsbetrieb." Die drei herumstreifenden Posaunisten sind allesamt hervorragende Musiker, Improvisatoren aber auch Komponisten: Bertl Mütter, Werner Puntigam und Michael Svoboda, der als einer der vielseitigsten und international gefragtesten Blechbläser gilt. Karlheinz Essl bedient m@ze°2 (modular algorithmic zound environment), sein eigens entwickeltes Computerinstrument, das hier unter Einsatz von Samples aus Klangmaterial von Michael Svoboda den elektronischen Klangraum generiert. Elektroisch generierte Klänge interagieren mit den Posaunen interagieren mit dem Raum. Spielerisch lassen sich die herumstreifenden Posaunisten von den ausgestellten Objekten und den Besonderheiten der Räume animieren. So wird z.B. Walter Pichlers Objekt "Haus für den Grat und die Schlucht" plötzlich auch zum Haus für den Posaunenton.

Der Name der Veranstaltung PUBLIC ATTACK und die Aussage "den Ausstellungsbetrieb perforieren" lassen für das Publikum Assoziationen zu wie "gestört werden, angegriffen / attackiert werden". Nun, wenn ich in solcher Art attackiert werde, so lasse ich mir dies immer wieder gerne gefallen, gestört worden bin ich aber in keinster Weise. Das zum Teil überraschende Auftauchen der Musiker, die Töne oder Melodien, die mal von Ferne, mal von ganz nah, den Weg durch die Ausstellung begleitet haben, waren ein ganz spezieller Reiz, und auch ein besonderer Anreiz einen genaueren Blick auch auf die einzelnen Ausstellungsstücke der Sammlung zu werfen. Im wahrsten Sinn des Wortes eine einmalige Attacke. (Heike Kappes)


Biographien

Michael Svoboda wurde 1960 auf der Pazifikinsel Guam geboren, wuchs in Chicago auf und war dort zunächst als Jazz-Posaunist erfolgreich (1978: Louis Armstrong Award). Nach Abschluß eines Kompositions- und Dirigierstudiums kam er 1981 mit Hilfe eines Kompositionspreises nach England und Deutschland, wo er 1986 in Stuttgart das Meisterstudium im Fach Posaune beendete. Neben vielseitiger Konzerttätigkeit und Festival-auftritten in aller Welt, arbeitet Svoboda seit langem mit Komponisten in direktem Austausch zusammen z.B. Helmut Lachenmann, Karlheinz Stockhausen und Frank Zappa. So brachte er in den vergangenen Jahren mehr als 100 ihm gewidmete Werke zur Uraufführung. Svoboda gilt heute als einer der vielseitigsten und international gefragtesten Blechbläser. Neben seinen Soloprogramm Mike Svoboda's Alphorn Special spielt er im Quartett Avance, in Jazz- und Improviser Groups, sowie als Solist mit namhaften Orchestern.

Werner Puntigam, geboren 1964, lebt in Linz. Als freischaffender Künstler arbeitet er in den Bereichen Musik (Posaune, Stimme, Noise; Improvisation & Komposition), Performance, Design, Fotografie und Konzeption. Er ist Gründer der Formationen FocusPocus, Blow & Order, L'oops, sOUndsO und Danke. Neben Klang- und Rauminstallationen hat er die spartenübergreifenden Projekte Triptychon (mit wechselnden internationalen Gastakteuren wie beispielsweise Tom Cora, Jon Rose, Marta Binetti, Akemi Takeya) und Trizeps konzipiert und produziert. Am Literatur-/Musik-Projekt Haslinger-Mütter-Puntigam wie an speziellen Projekten mit Kindern ist er maßgeblich beteiligt. Gastspiele in Europa, den USA und Afrika, zahlreiche Rundfunk- und TV-Produktionen.

Bertl Mütter: Posaune, Stimme, Euphonium, Komposition. Geboren 1965 in Steyr. Neben der solistischen Arbeit zwischen Komposition und Improvisation, die sich auf vertraute und auch entferntere (nicht nur musikalische) Traditionen bezieht, wirkt Mütter auch in zahlreichen Ensembles mit. Eine Auswahl: Timbre, Franui, Camerata Obscura, CechMütter, Striped Roses, Haslinger-Mütter-Puntigam, Nouvelle Cuisine Big Band. Bertl Mütter lebt als freischaffender Musiker und Komponist in Wien. Im Mai 2000 wurde im Brucknerhaus Linz sein "wenn sie so wollen ist es halt ein streichquartett (wofür ich mich meinetwegen entschuldige)" uraufgeführt.

Karlheinz Essl: Geboren 1960 in Wien. Studierte dort Kontrabass, Komposition und Musikwissenschaft. Composer in residence bei den Darmstädter Ferienkursen für Neue Musik (1990-94) und am IRCAM in Paris (1992/93). Tritt neben seiner Arbeit als Komponist auch als Improvisator und Computersolist in Erscheinung. Musikkurator der Sammlung Essl. Unterrichtet "Computer Aided Composition" am Bruckner-Konservatorium in Linz.
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